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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wirklich weinen können vor Glück.
    Die Eröffnung der neuen Protosano -Werke hatte Peter Wegener übernommen. Er war nun etwas über drei Jahre alt, hatte die blonden Haare seiner Mutter, die stämmige Figur seines Vaters, die kritischen Augen seines Großvaters Johann Lohmann und – vorerst allerdings nur – die Ausdrucksweise Dr. Schwanglers, den er Onkel Edi nannte. Kaum daß der kleine Peter artikuliert Papa und Mama sagen konnte, lehrte Schwangler ihn, ebenso klar Scheißdreck zu sagen, was eine pädagogische Meisterleistung war. Wegener hatte deswegen einen Riesenkrach mit Schwangler, man duzte sich jetzt, und Hellmuth schrie: »Wenn du dem Jungen noch weiter solche Sauereien beibringst, fliegst du, bei aller Freundschaft!«
    Peter Wegener also eröffnete die Fabrik mit einem Vierzeiler, den er fehlerlos herunterleierte. Das Gedicht stammte von René Seifenhaar, der zu allem auch noch ein verkappter Dichter war und eigens aus Rom angereist kam. Er trug einen hypereleganten Maßanzug, eine Orchidee im Knopfloch, ganz spitze Schuhe, beste italienische Maßarbeit, fünf Brillantringe an seinen beiden Händen und pflegte neuerdings beim Gehen in eindeutig stimulierender Weise auf den Zehen zu wippen.
    Peters helles Stimmchen war deutlich zu vernehmen in der großen Halle I. Sie saßen alle in erwartungsvoller Stille: der Oberbürgermeister, der Oberstadtdirektor, der Regierungspräsident, der Präsident der Industrie- und Handelskammer, der britische Stadtkommandant, die Abordnungen der Ärztekammer, der Apothekerkammer, der Arbeitgebergemeinschaft Chemie, die besonders feierlich blickenden Herren der Gewerkschaften, der Betriebsrat. Hinter den Sitzreihen standen die Arbeiter und Angestellten, zur Zeit einhundertundzwölf. Und Peter sagte fließend:
    »Nun steht das Werk. Macht auf das Tor!
    Gesundheit flieg hinaus zu allen Orten!
    Was Gott nicht schuf in seiner herrlichen Natur,
    erwachse hier aus den Retorten!«
    »Du meine Scheiße!« schnaufte Dr. Schwangler Wegener ins Ohr. »Wenn ich das vorher gewußt hätte! Der Kerl hat mir den Text nicht gezeigt, sollte wohl eine Überraschung sein! Jetzt muß gleich der Regierungspräsident sprechen, was soll der nach dem Quatsch noch sagen?!«
    Die Ehrengäste und die Belegschaft schienen anderer Meinung zu sein. Alles klatschte, als der kleine Peter zu seinem Stuhl zurücktrippelte, der Oberbürgermeister umarmte und küßte ihn, Irmi war mächtig stolz und strahlte Wegener an, der mißmutig vor sich hinstierte, die Frau des Regierungspräsidenten beugte sich zu Wegener hinüber und sagte: »Ist das ein süßes Kerlchen!« und Dr. Schwangler rettete alles, indem er ans Rednerpult ging und ausrief: »Das Wort hat der Herr Regierungspräsident!«
    »War's so gut, Papi?« fragte Peter, als er neben Wegener auf den Stuhl krabbelte.
    »Sehr gut, mein Junge. Fehlerfrei.«
    »Das war schwer, Papi! Was ist eine Retorte, Papi? Hat das was mit Sahnetorte zu tun?«
    »Ich erklär's dir später«, sagte Wegener abwehrend. Er kannte Peters unaufhaltsam bohrende Fragen. »Hör lieber zu, was der Onkel Präsident sagt.«
    »Scheißdreck!« sagte Peter beleidigt.
    Wegener zuckte zusammen, Dr. Schwangler nickte zufrieden. »Aus dem Jungen wird mal etwas Großes!« flüsterte er. »Ihm ist die Erkenntnis angeboren!«
    Es wurde eine große Feier. Mit einem kalten Büffet, das damals – 1951 – noch fotografiert wurde und in den Zeitungen erschien. Man brauchte sichtbare Beweise, daß es aufwärts ging.
    Es war spät in der Nacht, in der Halle I wurde noch getanzt, die Ehrengäste waren längst weggefahren, und die Belegschaft setzte die ausgegebenen Essens- und Getränkemarken an den Theken in Speisen und Getränke um. Dr. Schwangler saß an einem Tisch im Hintergrund mit René Seifenhaar, Signor Betrucci, dem Pfarrer der Landgemeinde, dem Förster und – man muß bei solchen Feierlichkeiten alles ertragen können – auch dem Leiter des Finanzamtes. Der Jurist ließ Witze los, die selbst dem Teufel den Schwanz verbrannt hätten.
    Um diese Stunde saß Irmi auf der Bettkante und sah Hellmuth zu, wie er seinen schwarzen Anzug auszog und das weiße Hemd aufknöpfte.
    Hier hatte sich nichts verändert. Sie wohnten noch immer in den engen Zimmern über der Lohmannschen Apotheke. Nur die Einrichtung war gewechselt worden. Es gab jetzt eine Ledergarnitur, einen altdeutschen Dreimeterschrank, einen echten Orientteppich und einige gute Gemälde an den Wänden, die Irmi scheußlich fand und

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