Eine glückliche Ehe
Wirklichkeit. »Das machen wir ganz unter uns, ganz allein, ganz still!«
»Und jetzt fahren wir wieder nach Hause«, sagte Irmi und wandte sich ab. »Spätzchen friert. Ich auch! Und in drei Stunden ist Bescherung …«
Sie ging zum Wagen zurück, setzte sich und zog die Tür zu. Wegener blickte noch einmal über den Rohbau. Peter neben ihm kickte einen kleinen Stein gegen die Kellermauer.
Nächstes Jahr zu Weihnachten wohnen wir hier, dachte er. Und der Tannenbaum wird in der Halle stehen, die durch die Höhe des ganzen Hauses gehen wird. Es wird ein Riesenbaum werden. Hellmuth Wegener, du, der richtige Hellmuth – bist du dort oben bei Gott, wenn es so etwas gibt, zufrieden mit deinem Kumpel Peter Hasslick?! Ich muß dir etwas sagen: Mich drückt das Gewissen nicht mehr, du zu sein …
Der Hausbau dauerte zwei Jahre. Fritzchen Leber verbaute mehr als seine Phantasien … Als die Villa Fedeltà fertig war, als Baufachblätter das Haus in allen Einzelheiten abbildeten und den Architekten Leber als einen der ideenreichsten Planer hochjubelten, wobei Klassenkamerad Pitter Ortwins Pressedienst kräftig die Posaune blies, legte sich Fritzchen Leber einen Koller zu, ließ sich scheiden und liierte sich mit einer Blondine, die zwar üppig, aber dumm war. Dr. Schwangler hatte dafür – wie immer – Verständnis. »Eine Philosophin im Bett könnte mich umbringen«, sagte er. »Aber ein Dummerchen mit BH Größe acht und grünem Pfeffer im Hintern, das ist genau das, was Männern wie uns besser tut als eine Flasche Whisky!«
Als Hellmuth Wegener umzog und die Wohnung über der Apotheke renoviert wurde und der neue Pächter der Apotheke einzog, stellte sich heraus, daß Wegener romantisch veranlagt war. Obgleich die Villa mit einem Riesenaufwand von Ideen und Geld, das heißt mit neuen Möbeln, Teppichen und Lampen ausgestattet worden war und Fritzchen Leber sogar in Amsterdam, Rom und London besonders schöne antike Einzelstücke aufgespürt hatte, nahm Wegener die alte Einrichtung mit in das neue Haus.
Was früher in vier Zimmer gepaßt hatte, konnte er jetzt in einem einzigen großen Raum unterbringen. Und das tat er auch: Er stellte die alte Wohnung in einem Zimmer wieder auf, so, wie die Wohnung über der Apotheke gewesen war. Mit Sperrholz zog er die Trennwände – und es gab wieder das Wohnzimmer, das Kinderzimmer, das Schlafzimmer und das kleine Arbeitszimmer. Nur die Küche war nicht umzutransportieren, wegen der Wasseranschlüsse.
»Ein verrückter Hund!« sagte Fritzchen Leber, der darin eine Entweihung seines ›Lebenswerkes‹ sah. »Wozu baut er sich dieses Riesending, wenn er die alten Klamotten aufstellt, als seien es Altäre?!«
»Weil er darin glücklich war«, sagte Irmi und lächelte sanft. »Aber ich glaube, das verstehst du nicht.«
»Das stimmt. Betrachten wir es so: Jeder Mann hat sein Spielzeug. Der eine Briefmarken, der andere eine elektrische Eisenbahn …«
»Betrachten wir es so.« Irmi schloß das große Zimmer mit den aufgebauten alten Möbeln ab. Wegener war noch in der Fabrik, hieß es. In Wahrheit saß er bei einem Korrepetitor und ließ sich gegen viel Geld Einzelheiten der Bauchchirurgie eintrichtern. Nach langen Gesprächen mit dem wissenschaftlichen Assistenten, der ihm das beibringen sollte, hatte er sich dafür entschieden, weil Bauchchirurgie immer ein weites Gesprächsfeld darstellt. Das gleiche gilt für die Thoraxchirurgie, aber sie schien Wegener zu schwierig zu sein. Immerhin war er so weit präpariert, daß er nach einem Jahr intensiven Lernens bei einem Ärztekongreß in Brüssel mitreden konnte, als es um eine neue Form der Gastroenterostomie ging, einer Verbindung des gesamten Querschnitts des Magenrestes mit der obersten Jejunumschlinge in End-zu-Seit-Anastomose. Er verkündete zwar keine eigenen ›Erfahrungen‹, aber er war stolz, mit berühmten Kapazitäten an einem Tisch sitzen und einige treffende Bemerkungen einstreuen zu können, die von großer Kenntnis der Materie kündeten.
Peter war mittlerweile in die Schule gekommen und hatte einen Haufen Freunde, denn jeder drängte sich danach, in der Prachtvilla am Stadtwald spielen zu dürfen. Die Wegener-Fabriken arbeiteten auf Hochtouren, neue Präparate wurden entwickelt, darunter ein Antibiotikum, das bisher resistente Erreger angriff. Es gab in der Villa Fedeltà Cocktail-Empfänge und kleine Essen für ausländische Kunden, und auch Politiker meldeten sich, um durchblicken zu lassen, daß ihre Partei
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