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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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französischen Rotweins, erzählte in Abständen, so, wie's ihm gerade einfiel, von einigen Ereignissen des Tages, mokierte sich über die neuesten schweinischen Witze Dr. Schwanglers – kurz: Es war ein Abend wie seit Jahren. Irmi regte sich über Dr. Schwangler auf, das Fernsehen brachte eine Tanz-Show, Vanessa Nina war auf ihrem Zimmer und hörte progressive Jazzplatten, und Hellmuth Wegener war müde nach dem Tagespensum und saß überhaupt nur hier, weil Irmi so gern gute Tänzer sah. Er selbst hätte lieber längst im Bett gelegen, mit einem Buch zum Einschlafen. Drei, vier Seiten lesen, das Gefühl, neben sich Irmi zu haben, die glückliche Sattheit, die ihn immer überkam, wenn er ausgestreckt lag (dem Erfinder des Bettes müßte man in jedem Dorf auf der ganzen Welt ein Denkmal setzen, sagte er einmal), und dann die selige Müdigkeit, das Ausknipsen der Nachttischlampe, das Herumrollen auf die Seite, Irmi zu hören, wie auch sie ihre Lampe ausknipste und sich zurechtlegte … das war ein wundervoller Tagesabschluß, ein Teil dessen, für das es sich lohnte, zu leben, zu arbeiten, zu schuften, sich aufzureiben.
    »Ich muß nächste Woche nach Rom«, sagte er, als zur Pausenfüllung ein sogenannter Sänger etwas ins Mikrofon spuckte, was ein Lied sein sollte. Wegener wartete gebannt darauf, ob er vielleicht das Mikrofon verschlucken würde. Vanessa Nina kannte den Knaben bestimmt und hätte sein Geheul ›dufte‹ genannt. Für Hellmuth Wegener klang es, als ob man Zehennägel feilte.
    »So?« sagte Irmi und starrte auf den Sänger, der mit den Hüften wackelte und merkwürdige Urlaute ausstieß. »Nach Rom?«
    »Ich habe dazu soviel Lust wie ein Clochard zur Arbeit.«
    Irmi lehnte sich zurück, eine neue Ballettnummer war an der Reihe.
    »Übrigens: Peter hat deine Feldpostbriefe an mich gefunden …«
    Hellmuth Wegener zeigte keine Wirkung, aber in seinem Hirn schrillte, wie schon lange nicht mehr, die Alarmklingel. Er nippte nur an seinem Rotweinglas, mit ruhiger Hand hielt er es fest.
    »Die gibt es noch?« fragte er ruhig und schielte zu Irmi hinüber. Sie starrte auf den Bildschirm.
    »Ja. Ich habe sie alle noch. Gebündelt, mit einem Bändchen drum. Peter kramte in der alten Truhe und fand sie. Ich könnte mich doch nie von deinen Kriegsbriefen trennen, Liebling.«
    »Und der Bengel hat sie gelesen?«
    »Hättest du's nicht auch getan?«
    »Nee! Aber wenn ich denke, was ich dir alles geschrieben habe, und Peter weiß es … Merkwürdiges Gefühl«, sagte er.
    »So schlimm sind die Briefe auch nicht.« Irmi lächelte. »Wir waren – im Vergleich zu der heutigen Jugend – brav wie die Klosterschüler.«
    »Waren wir das?« fragte er lässig zurück.
    »Das weißt du doch! Deine Briefe – meine Briefe … das liest sich heute wie aus einem anderen Jahrhundert.«
    »Trotzdem, es waren unsere tiefsten seelischen Geheimnisse. Und die kennt der Bengel jetzt …«
    »Die interessierten ihn gar nicht. Was ihm auffiel, war deine Handschrift.«
    »Meine – was?« fragte Wegener. Unter seiner Kopfhaut bekam er wieder das typische Glühen. Es ist zum Verzweifeln, durchfuhr es ihn. An alles habe ich gedacht, wirklich an alles. Nur nicht daran, daß Hellmuth Wegener Feldpostbriefe geschrieben hat, er hat doch Irmi auf diese Weise kennengelernt – ›Deutsche Mädel schreiben an die Front‹ – aber wer denkt auch daran, daß sie diese Briefe aufgehoben hat, mit einem Bändchen umschnürt! Und mein Sohn findet nach 22 Jahren diese verdammten Briefe und stellt fest … Nach 22 Jahren soll ich stolpern über ein paar Buchstaben? Und mein eigener Sohn haut mich damit zu Boden?!
    »Deine Schrift«, sagte Irmi ganz ruhig. Im Fernsehen tanzte man einen herrlichen Tango. »Sie hat sich seit damals sehr verändert. Das fiel Peter auf.«
    »Krieg! Rußland! Sibirien!« sagte Wegener laut.
    »Genau das habe ich ihm auch gesagt. Wir haben darüber diskutiert. Über unsere verlorene und doch so aktive Generation.«
    »Und wo sind die Briefe jetzt?«
    »Wieder auf dem Speicher in der Truhe.«
    »Du willst sie weiterhin aufheben?!«
    »Aber ja, Liebling. Wenn es nicht so lächerlich wäre – für die anderen –, würde ich sie auf einen Marmorsockel stellen wie eine Plastik. Deine Briefe aus Rußland, deine Frage, irgendwoher von der Front: Willst Du meine Frau werden? … So etwas vernichtet man doch nicht, Schatz!«
    Er nickte und schloß die Augen. Die Schrift. Morgen nehme ich einen Brief aus dem Bündel und werde

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