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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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BHs aus! Machst du das auch bei deiner Mieze vom Gereonswall?!«
    »Ich habe keine Mieze, du Schuft!« sagte Hellmuth Wegener grob.
    Aber mit dem Gereonswall war es tatsächlich vorbei: Die Privatstunden bei dem Professor waren ausgelaufen. Wegener war der Ansicht, er besitze jetzt genug ›Allgemeinbildung‹. Auch über Bauchchirurgie wußte er alles. Er hatte auch alle maßgebenden medizinischen Zeitschriften abonniert, las sie sorgfältig durch, merkte sich die neuesten Erkenntnisse, legte sich ein Archiv mit Ausschnitten an und hatte bald eine medizinische Bibliothek, um die ihn jeder Arzt beneidet hätte.
    Es kann nichts mehr passieren, dachte Wegener in diesen Jahren. Überhaupt nichts mehr! Die Vergangenheit ist völlig ausgelöscht. Ich bin ich – und das heißt: ich bin Hellmuth Wegener –, und das erkennt man überall an!
    So kam der 17. September 1965. Ein Tag wie jeder andere.
    Wegener war in seinem riesigen Büro in den Euromedica- Werken und ließ sich von seinem Chefchemiker die Neuentwicklung eines Mittels gegen Bluthochdruck vortragen, Vanessa Nina – jetzt dreizehn Jahre alt – war bei einer Freundin, um mit ihr die verdammten Mathematikaufgaben zu machen, Irmi gab einen Damen-Tee im kleinen Kreis, zu dem einige Diplomatengattinnen aus Bonn herübergekommen waren und bei dem man über das Absurde Theater von Ionesco diskutierte, und Sohn Peter, jetzt siebzehn Jahre, nach Dr. Schwangler eine ›Intelligenzbestie‹, der wenig dazu tun mußte, um seine Stellung als Klassenprimus zu halten, hatte sich gerade an diesem Nachmittag vorgenommen, auf dem riesigen Speicher der Villa Fedeltà nach alten Klamotten zu suchen, die man für einen Lumpenball verwenden konnte.
    Dabei entdeckte er eine alte Truhe, die noch aus der Dynastie der Apothekerfamilie Lohmann stammte. Er öffnete die Schlösser, fand lauter Puppen und Spielzeug und ahnte, daß damit einmal seine Mutter gespielt haben mußte. Nicht ohne eine gewisse Scheu packte er sie aus, und dabei stieß er auf einen kleinen Packen Briefe, der mit einem lila Seidenband umschlungen war. Der Stempel auf dem ersten Kuvert weckte sein Interesse.
    Feldpost.
    Er setzte sich auf die Truhe, löste das lila Band und begann, die Briefe zu lesen.
    Die Feldpostbriefe seines Vaters an seine Mutter, das damalige Fräulein Irmgard Lohmann in Köln. Der erste Brief stammte aus dem Jahre 1943. Irgendwo in Rußland. Absender Unteroffizier Hellmuth Wegener. Später: Fähnrich Hellmuth Wegener. Im Februar 1944 die große Frage: ›Willst Du meine Frau werden …?‹ Drei vergilbte, unscharfe Fotos lagen bei den Briefen: der Fähnrich Wegener im Kreise seiner Kameraden, irgendwo an der Front im Osten.
    Peter betrachtete die Bilder, las die Briefe, packte dann alles zusammen und stieg vom Dachboden herab. Er wartete, bis die Damen der Teegesellschaft abgefahren waren, und ging dann zu Irmi in den Salon.
    »Mama, ich habe auf dem Dachboden herumgewühlt und das gefunden«, sagte er.
    Er legte die Briefe auf den Tisch. Irmi erkannte sie sofort und lächelte.
    »Ich habe einen sehr neugierigen Sohn«, sagte sie. »Hast du sie etwa gelesen?«
    »Ja, Mama.«
    »Du bist alt genug, um zu verstehen, daß ich mich schon durch diese Briefe in deinen Vater verlieben mußte.« Sie nahm einen Brief aus dem Packen und überflog ihn. »Es ist wie gestern«, sagte sie leise. »Ich weiß noch genau, wie sie ankamen. Binde sie wieder zusammen und trag sie zurück in die Truhe.«
    »Natürlich, Mama.« Peter ergriff einen anderen Brief und faltete ihn auseinander. Vergilbtes, billiges, holzhaltiges, hartes Papier. Eng beschrieben mit vielen schönen Worten. »Sieh mal! Ein hochinteressantes Beispiel dafür, wie Zeitumstände den Menschen verändern können. Schau dir das an! Pa's Handschrift von damals – und seine Schrift heute … sie sind grundverschieden!«

8
    Irmgard Wegener sah ihren Sohn schweigend an. Es war einer jener Blicke, die man in der Familie fürchtete. Es hatte in all den Jahren kaum ein lautes Wort gegeben, nie einen ernsthaften Streit, nie eine Handgreiflichkeit zwischen Eltern und Kindern, keine Spur von jener ›Erziehung‹, die auftretende Probleme mit Ohrfeigen wegzuwischen pflegt … Es hatte fast immer ein Blick genügt, und jeder konnte entscheiden, ob es sich lohnte, weiter über die kritische Frage zu diskutieren.
    Peter legte die Briefe schnell wieder auf den Tisch und faltete das Schreiben, das er in der Hand hielt, zusammen. »Ich meine ja bloß, Mama

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