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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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üben, so zu schreiben wie Hellmuth Wegener. Ich habe das ja schon getan, natürlich, ich Rindvieh, wie konnte ich das vergessen! Ich habe Irmi doch aus der Gefangenschaft geschrieben, allerdings in Druckbuchstaben – und dann schlugen die Ereignisse so über mir zusammen, daß ich an die Scheißschrift überhaupt nicht mehr gedacht habe. Ich habe so geschrieben wie immer. Und das heißt natürlich: ganz anders als Hellmuth Wegener schrieb.
    »Woran denkst du, Schatz?« fragte Irmi. Der Sänger war wieder auf dem Bildschirm, mit dem Mikrofon auf Lippenfühlung.
    Wegene r öff nete die Augen. »An Rom«, sagte er. Nein, ich übe nicht, dachte er. Das würde auffallen. Das wäre ein Schuldbekenntnis. Ich schreibe weiter wie bisher. Ich bin der durch Sibirien veränderte Mensch. Ich habe mich nicht zurückverändert. Ich bin der geblieben, den Irmi in Friedland in die Arme nahm und zu dem sie sagte: »Endlich, endlich bist du gekommen!« Und das war der Mensch mit dem veränderten Gesicht und der veränderten Schrift! Und das ist jetzt der Fabrikant Hellmuth Wegener, ein in Europa bekannter Millionär, einhundertundneunzig Pfund schwer und nach Aussagen seines Hausarztes dazu prädestiniert, einen herrlichen Diabetes zu bekommen, weil die Bauchspeicheldrüse eines Tages streiken wird.
    Ich bin Hellmuth Wegener, dachte er. Scheiß was auf die andere Schrift! Aber da sieht man mal, wie klein die Steine sein können, über die man stolpern und sogar stürzen kann!
    Siebzehn Jahre lebe ich an Irmis Seite. Das Glück verfolgt mich, und ich habe es mir abgewöhnt, in bestimmten Situationen ein Gewissen zu haben. Aber manchmal, allein vor dem Spiegel, sieht mich der Schlosser Peter Hasslick an. Dann könnte ich etwas Massives nehmen und dieses impertinente Gesicht zerschlagen, zertrümmern, zerstören, auslöschen. Im Grunde bleibt man doch immer der, der man war.
    »Ich lese die Briefe auch noch mal durch«, sagte er und gähnte ungeniert. »Ich weiß keinen Satz mehr, den ich dir damals geschrieben habe.«
    »Ich kann einige Briefe noch auswendig«, sagte sie. »Soll ich dir einen aufsagen?«
    »Bitte nein! Der Sänger da genügt mir. Irmi, Liebling, ich bin müde. Das war ein Tag mit sechs Sitzungen, und dazu die Vorstellung einer Neuentwicklung. Ein Präparat für Hämophilie. Die Bluterkrankheit. Ich glaube, wir haben einen Blutgerinnungsstoff gefunden!«
    »Wie schön!« Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen an. »Was ihr alles leistet! Du bekommst noch den Nobelpreis!«
    »Das fehlte noch! Dann hätte ich nicht einmal mehr die Zeit, mir diesen gräßlichen Mikrofonküsser anzuhören.« Er gähnte wieder und streckte sich in seinem Damastsessel. »Irmi, sollten wir nicht …«
    »Geh schon vor, Schatz, die Show ist in zehn Minuten zu Ende.«
    Er stand auf, verließ das Gartenzimmer, stieg in der Halle die breite Freitreppe hoch in den ersten Stock und betrat das ›venezianische‹ Schlafzimmer. In zehn Minuten kommt sie nach, dachte er und blieb vor dem prunkvollen Bett stehen. Ich ziehe mich jetzt aus, dusche mich, putze mir die Zähne, steige in einen Pyjama, lege mich hin, nehme mein Buch, lese ein paar Seiten, und vielleicht schlafe ich schon, wenn Irmi kommt.
    Das war doch früher nicht so? Da gingen wir gemeinsam ins Bett, da lagen wir aneinandergeschmiegt, da fühlte jeder des anderen Körper, da bekam keiner genug, den anderen abzutasten, zu streicheln, ihn überall zu küssen, sich endlich zu vereinigen. Da war der Abend, da waren die Dunkelheit und die Schritte zum Bett heitere Signale, die nach eines Tages Last das nur zwei Menschen gehörende Glück ankündeten.
    Und jetzt? Geh schon vor … Ich komme in zehn Minuten nach … Und man geht hinauf, wälzt sich ins Bett und achtet nicht einmal mehr darauf, ob es wirklich nur zehn Minuten waren.
    Wie lange geht das schon so? Das ist gekommen, ohne daß wir es merkten. Das hat sich eingeschlichen, und jetzt ist es wie selbstverständlich geworden. Du lieber Himmel, nichts ist in unserer Liebe gestorben, gar nichts, im Gegenteil, Irmi ist schöner geworden, ich bin stolzer denn je auf sie, ich würde verrückt, wenn ihr etwas geschähe, und ich könnte zum Mörder werden, wenn ich einen anderen Mann bei ihr entdeckte. Dabei ist gerade das absolut undenkbar! Und doch sagt man sich ganz selbstverständlich: Geh schon rauf. Ich komme in zehn Minuten nach. Nach der Show im Fernsehen, die will ich noch zu Ende sehen …
    Er zog sich nicht aus, er ging nicht ins

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