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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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das?«
    »Das sind Ledergamaschen. Mutter – ich muss dir ein paar ziemlich heikle Fragen stellen.«
    »Mir? Heikle Fragen? Bitte, ich bin ganz Ohr.«
    Lysander zögerte. Erneut befürchtete er, mit seinen Worten eine unkontrollierbare Kettenreaktion in Gang zu setzen.
    »Kennst du einen gewissen Hauptmann Christian Vandenbrook?«
    »Ja. Ich kenne ihn sehr gut. Er ist einer meiner wichtigsten Ansprechpartner für den Fonds.«
    Der Fonds, dachte Lysander, natürlich. Der Kriegshilfefonds von Claverleigh Hall. Er atmete auf – vielleicht würden sich seine Befürchtungen als grundlos erweisen.
    »Hast du ihn vor drei Tagen im Dene Hotel in Hythe getroffen?«
    »Ja. Wir waren dort zum Abendessen verabredet. Lysander, was soll –«
    »Verzeih mir, wenn ich jetzt so furchtbar grob und derb und unbedarft frage, aber … « Er verstummte, so sehr war ihm das zuwider. »Aber hast du eine Affäre mit Hauptmann Vandenbrook?«
    Darüber musste sie aufrichtig lachen, doch ihr Lachen erstarb recht schnell.
    »Natürlich nicht. Wie kannst du nur so etwas annehmen?«
    Als Lysander echten Zorn in ihren Augen aufblitzen sah, schloss er seine, um fortzufahren.
    »Im Lauf eines Jahres hast du neunmal im selben Hotel wie Vandenbrook übernachtet.«
    Er hörte sie aufstehen und machte die Augen wieder auf. Sie war zum großen, kleinteilig gegliederten Fenster gegangen und blickte in den Park hinaus. Es nieselte, das Licht verblasste silbrig-trüb.
    »Spionierst du mir etwa nach?«
    »Ihm spioniere ich nach. Darum habe ich euch beide zusammen gesehen.«
    »Aber aus welchem Grund spionierst du Hauptmann Vandenbrook nach?«
    »Weil er ein Verräter ist. Weil er Militärgeheimnisse nach Deutschland schickt.«
    Das traf sie offenkundig wie ein Schock. Sie wirbelte herum und sah ihn erschrocken an.
    »Hauptmann Vandenbrook – das kann ich mir nicht vorstellen … Bist du dir sicher?«
    »Ich habe genug Beweise, um ihn an den Galgen zu bringen.«
    »Nicht zu … Wie kann das … « Ungläubig fuhr sie fort: »Wir haben uns doch nur über Wolldecken, Lazarette, Honigtöpfe, Dorffeste und Krankenschwestern unterhalten – darüber, wie ich das gesammelte Geld verwende. Ich kann es einfach nicht glauben.«
    »Weißt du eigentlich, dass er nach jedem Treffen mit dir einen Umschlag im Hotel hinterlässt, der dann abgeholt wird?«
    »Nein. Woher denn?«
    »Er hat dich nie gebeten, einen dieser Umschläge weiterzugeben?«
    »Nie. Wirklich nicht. Hör zu, ich habe ihn nur kennengelernt, weil das Kriegsministerium ihn als Verbindungsmann für den Fonds ernannt hat, nachdem ich damit angefangen hatte. Er hat mich immer sehr unterstützt.«
    »Ein reizender Mann.«
    »Er war sogar hier. Zwei – nein, drei Mal. Wir haben hier einige Besprechungen gehabt. Crickmay hat ihn auch kennengelernt. Er hat mit uns zu Abend gegessen.«
    »Hier? Das hat Vandenbrook mir nie erzählt.«
    »Warum sollte er? Ich habe dich in seinem Beisein nie erwähnt. Vermutlich hat er keine Ahnung, dass du mein Sohn bist. Dass der Mann, der ihn an den Galgen bringen kann, mein Sohn ist«, fügte sie etwas bitter hinzu. »Oder dass ich überhaupt einen Sohn habe. Himmel – wir haben doch immer nur über den Fonds gesprochen.«
    Lysander nahm an, dass eine attraktive Frau Anfang fünfzig nicht unbedingt das Bedürfnis hat, aller Welt von ihrem bald dreißigjährigen Sohn zu erzählen. Tatsächlich hatte Vandenbrook Lysander nie den leisesten Anlass zur Vermutung gegeben, er wüsste, dass Lady Faulkner seine Mutter war.
    »Könnte ich vielleicht einen Drink bekommen?«, fragte er.
    »Gute Idee.« Sie klingelte nach dem Diener, der ein Tablett mit zwei Gläsern, einer Flasche Brandy und einem Sodasiphon hereintrug. Lysander bereitete die Drinks für sich und seine Mutter zu, bevor er seinen in großen Schlucken trank. Allen Beteuerungen und schlüssigen Erklärungen seiner Mutter zum Trotz kam ihm diese Verbindung zu Vandenbrook höchst fragwürdig vor. Das war ganz bestimmt kein Zufall – und würde nicht ohne Folgen bleiben. Schon wieder diese verfluchten Folgen.
    »Darf ich rauchen?«
    »Ich leiste dir gern Gesellschaft«, sagte sie. Lysander gab ihr eine Zigarette und Feuer, dann zündete er sich selbst eine an.
    »Warum spionierst du Vandenbrook aus?«, fragte sie. »Ich meine, warum wurdest ausgerechnet du auf ihn angesetzt?« Die Zigarette drückte sie gleich wieder aus – sie hatte nie gern geraucht. »Du bist doch Soldat, oder nicht?«
    »Ich arbeite für diese eine

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