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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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angestammten Beruf verstärkt um Filmrollen zu bemühen – die Arbeit schien lächerlich einfach.
    Am nächsten Tag kaufte er sich um die Mittagszeit ein Sandwich (beim 10.30-Uhr-Termin war er wieder versetzt worden), mietete ein Ruderboot an der Promenade du Lac und ruderte ein paar Kilometer am rechten Ufer entlang. Es war ein strahlend sonniger Tag, und die Wohngebäude mit den weißen und rosafarbenen Stuckfassaden, steilen Dächern, Kuppeln und merkwürdig abgeschrägten Schornsteinaufsätzen aus Zinn zeugten ausschließlich von Frieden und Wohlstand, genau wie die Uferpromenaden und der Kursaal samt Theater, Cafés und Restaurants. Unterwegs konnte er jenseits der Stadt und der niedrigen Felsumgebung die gleißend weißen Kuppen des Mont Blancs und seiner Berggruppe im Westen erkennen. Vor der mächtigen Fassade des Grand Hôtel du Beau-Rivage – oder du Beau-Espionage, wie Massinger es genannt hatte – verweilte Lysander ein wenig. »Dort dürfen Sie sich auf keinen Fall blicken lassen. Da tummeln sich anrüchige Damen aus aller Herren Länder, es wimmelt von Spitzeln und Informanten, jeder wird versuchen, Ihnen für ein paar Francs vermeintliche Informationen zu verkaufen – vom Hoteldirektor bis zur Wäscherin. Die reinste Jauchegrube.« Im großen Schwimmbad an der Jetée des Pâquis kreischten und planschten Kinder, und Lysander überlegte kurz, ob er sich einen Badeanzug kaufen und sich dazugesellen sollte – die Sonne brannte ihm im Rücken, er hätte sich gern erfrischt. Dann war er versucht, zum Parc Mon Repos weiterzurudern, dessen Haine und Rasenflächen hinter der Mole zum Vorschein kamen, doch ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bald halb fünf sein würde. Er sollte lieber zur Taverne des Anglais zurückkehren und sich mit einem kühlen Bier begnügen.
    Auch aus diesem Treffen wurde nichts, also aß er in einem Grillrestaurant früh zu Abend und lauschte anschließend einem Orgelkonzert in der Kathedrale, mit Werken von Joseph Stalder und Hans Huber, zwei Komponisten, von denen er noch nie etwas gehört hatte. Im Touring bat er um ein ruhigeres Zimmer, das nach hinten hinausging, weil die Trams ihn schon im Morgengrauen weckten. Lysander fiel auf, wie schlecht er inzwischen schlief – ständig träumte er davon, wie er seine Granaten in den Verbindungsgraben unterhalb des Grabmals schleuderte. Mal erschienen ihm die grell erleuchteten Gesichter des hellblonden Jungen und des schnurrbärtigen Mannes, mal Foley und Gorlice-Law. Er litt weniger unter Schlafmangel als unter den Träumen, die der Schlaf mit sich brachte – allein der Gedanke daran wurde ihm unerträglich. Er nahm sich vor, später ins Bett zu gehen. Er würde bis tief in die Nacht durch die Straßen bummeln, ab und zu ins Café gehen, um ein Heißgetränk oder einen Cognac zu sich zu nehmen, und sein Hotelzimmer erst wieder aufsuchen, wenn die Langeweile ihn dazu trieb. Vielleicht würde er dann besser schlafen.
    Nachdem er am nächsten Morgen wieder eine Stunde in der Taverne vertan hatte (wo man ihn mittlerweile als Stammgast begrüßte), ging er in eine Apotheke, um sich ein Schlafmittel zu kaufen. Als der Apotheker das Chloralhydrat einpackte, riet er Lysander, einen Kurort aufzusuchen – aber in mindestens 2000 Metern Höhe. Nur in dieser Höhe ließe sich Schlaflosigkeit kurieren. Er schlug seinem Kunden das Hotel Jungfrau-Eggishorn vor, hoch über dem Rh ô negletscher – vor dem Krieg sei es bei den Engländern äußerst beliebt gewesen, bemerkte der Mann mit einem vielsagenden Lächeln. Lysander wurde bewusst, dass er seine Tarnung versehentlich nicht gewahrt hatte – er musste sich unbedingt auf Abelard Schwimmer konzentrieren und Französisch mit deutschem Akzent sprechen.
    Als er die Apotheke verließ, fiel ihm ein Ladenschild auf: G.N. LOTHAR & CIE. Der Anblick dieses Namens, des Namens seines Sohnes, versetzte ihm einen Stich, erinnerte ihn an seinen seltsamen Verlust, an die schmerzliche Liebe, die er für ein Wesen empfand, das er nie gesehen, nie kennengelernt hatte, das in seinem Leben nur eine abstrakte Rolle spielte, als sein »Sohn«, den er in Anführungszeichen setzen musste, um ihm überhaupt eine Art von Präsenz zu verleihen, als Gegenstand seiner Zuneigung. Natürlich flammte sein Zorn auf Hettie erneut auf – auf ihren kindlichen Leichtsinn, ihre sträfliche Unbesonnenheit – , aber ihm wurde schnell klar, wie vergeblich das war. Bloße Zeitverschwendung.
    Als er am Nachmittag in der

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