Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
Vom Netzwerk:
sind, den Schmelzpunkt von Titan herauszusuchen?«
    »Ich lebe, um zu dienen«, sagte sie. »Rein oder in Legierung?«
    »Das weiß ich nicht so genau.«
    Ich hörte das rasche Klappern einer Computertastatur. »Nun, wenn man reines Titan nimmt«, sagte sie, »liegt der Schmelzpunkt bei angenehm warmen tausendneunhunderteinundvierzig Grad. Auf dem Kelvin-Thermometer, was« – klapper, klapper, klapper – »dreitausend und ein paar Zerquetschte Grad Fahrenheit sind.«
    »Wie haben Sie das so schnell herausgefunden?«
    »Die Wunder von Google«, sagte sie. »Auch Google lebt nur, um zu dienen.«
    »Verdammt«, sagte ich. »Google, YouTube, MySpace – ich komme mir langsam vor wie ein Dinosaurier, Miranda.«
    »Nun, Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung«, sagte sie. »War’s das? Sie waren nur neugierig auf die Eigenschaften von Titan?«
    »Nein, eigentlich habe ich überlegt, wo der Schmelzpunkt von künstlichen Kniegelenken liegt.«
    Ich hörte einen weiteren Tastenwirbel. »Sieht so aus, als wären die meisten orthopädischen Implantate aus Titanlegierungen gefertigt, Kobalt-Chrom-Legierungen oder Edelstahl. Oder aus oxidiertem Zirkonium – eine Art Kreuzung zwischen Metall und Keramik –, das härter ist als Metall, aber robuster als Keramik.« Weiteres Tastengeklapper. »Das meistverbreitete Material scheint jedoch Titan 662 zu sein, eine Legierung aus Titan, Aluminium und Vanadium plus einer Prise von diesem und einem Spritzer von jenem.«
    »Vanadium? Ist das wirklich ein Element, oder haben Sie das erfunden?«
    »Erfunden? Moi? Sie verletzen mich zutiefst. Das wäre ein Verstoß gegen das Berufsethos der Forschungsknechte. Abgesehen davon, wenn ich ein Element erfinden würde, glauben Sie nicht, dann würde ich mir etwas Besseres einfallen lassen als ›Vanadium‹? Ich finde, ›Mirandium‹ klingt hübsch, finden Sie nicht? Und ›Loveladium‹ rollt auch leicht über die Zunge.«
    »Was habe ich mir nur gedacht? Sie haben natürlich recht«, sagte ich. »Das Periodensystem sollte sich ganz allein um Sie drehen.«
    »Ich lasse die Andeutung, dass ich egozentrisch bin, für den Augenblick durchgehen, denn ich bin so entzückt, für Sie die Sklavenarbeit zu machen. Wollen mal schauen, Titan 662 … Schmelzpunkt liegt bei … verdammt aber auch … ein streng gehütetes militärisches Geheimnis, könnte man denken. Eigentlich nicht, aber ich bekomme keine Google-Treffer, die so aussehen, als enthielten sie die Antwort. Soll ich einen gleichermaßen geknechteten akademischen Tagelöhner in der Ingenieurswissenschaft anrufen?«
    »Nein, warten Sie damit erst einmal«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass der Schmelzpunkt der Legierung sehr viel niedriger ist.«
    »Wissen Sie, was ich denke?«
    »Öfter, als mir lieb ist«, erwiderte ich.
    »Ha, ha. Ich denke, wenn Sie ein Feuer entfachen, bei dem Ihre Knie schmelzen, sind Sie längst geröstet.«
    »Geröstet ist vollkommen richtig«, sagte ich. »Die Frage ist, könnten zwei künstliche Kniegelenke in einem Einäscherungsofen schmelzen?«
    »Ich würde sagen, das hängt davon ab, wie heiß es in so einem Ofen wird.«
    »Wirklich? Erstaunlich. Wissen die Leute, die die MacArthur-Genie-Stipendien verteilen, von Ihnen?«
    »Werden Sie mir bloß nicht frech, Chef.«
    »Sonst?«
    »Sonst lege ich auf.«
    »Oooh«, sagte ich, »jetzt machen Sie mir wirklich Angst.«
    Ich lachte, als am anderen Ende aufgehängt wurde. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie ebenfalls lachte.
    Mein nächster Anruf galt Norman Witherspoon, einem Bestattungsunternehmer in Knoxville, der mir in den vergangenen zehn Jahren rund ein halbes Dutzend Leichen geschickt hatte – Menschen, die ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung stellen wollten, vor dem Tod aber keine Vorkehrungen getroffen hatten. »Norm, was machen Sie, wenn jemand zu Ihnen kommt und eingeäschert werden möchte?«
    »Ich sage: ›Tut mir leid, damit muss ich warten, bis Sie tot sind.‹«
    »Steckt nicht in jedem ein Komiker?«, sagte ich. »Lassen Sie mich die Frage neu formulieren: Norm, wohin schicken Sie Leichen, die eingeäschert werden sollen?«
    »Zum East-Tennessee-Krematorium«, sagte er. »Draußen in der Nähe des Flughafens. Im Rockford-Industriegebiet nahe des Alcoa Highway.«
    »Ich habe einen Fall, bei dem es auch um Kremate geht. Glauben Sie, das East-Tennessee-Krematorium würde mich einen Blick auf seine Kremationsanlage werfen und ein paar Fragen stellen lassen?«
    »Solange der

Weitere Kostenlose Bücher