Eine Hand voll Asche
Topf hatte einen Durchmesser von knapp vierzig Zentimetern; das Messer reichte halb bis an die Seitenwände heran. An beide Enden des Messers waren mittels Zapfen kürzere Klingen befestigt. »Wenn Sie den Schalter da umlegen, sehen Sie, wie es funktioniert.«
Sie wies mit einem Nicken auf einen Kippschalter an der Wand dicht über dem Behälter. Ich schnipste ihn nach oben, und die Messer setzten sich in Bewegung. Kurz konnte ich die kürzeren Klingen erkennen, die nach außen an den Rand flogen, und dann verschwamm die ganze wirbelnde Mahlvorrichtung, ähnlich wie ein Flugzeugpropeller bei Vollgas. Ich legte den Schalter wieder um, und die Messer drehten sich langsamer, wobei die Zentrifugalkraft dafür sorgte, dass die kürzeren Klingen sich noch ein Weilchen ausstreckten, bis das Mahlwerk ganz zum Halten kam.
»Diese Mahlvorrichtung erinnert mich an das Gefühl, das mich beschleicht, wenn ich zu Hause die Hand in den Müllzerkleinerer stecke, um den Spüllappen rauszuziehen«, sagte ich und schauderte unwillkürlich. »Da drin könnte man bestimmt ganz schnell eine Hand verlieren.« Sie nickte wieder. Dann schüttete sie den Inhalt des Kehrblechs in den Topf, schaltete über der Aschenmühle einen Abluftventilator ein und setzte dann die Messer in Bewegung. Eine Staubwolke wirbelte auf, als die Klingen die Knochenstücke zermalmten, und an den Seitenwänden des Gefäßes flogen Staub und winzige Knochenstückchen auf. Nach etwa einer halben Minute schaltete sie den Motor aus, und das pulverisierte Material rutschte nach und nach zu Boden. Sie nahm den Topf an beiden Griffen, ruckte daran, um ihn aus der Antriebswelle auszuklinken, die aus dem Motor darunter ragte, und hievte den Topf auf die Arbeitsfläche. Dann schüttete sie den Inhalt in einen weiteren Trichter, an dem unten eine Tüte aus durchsichtigem, dickem Plastik befestigt war. Sie klopfte an die Wände des Trichters, damit auch der letzte Rest Staub in die Tüte rieselte, machte die Tüte los, warf ein kleines, metallenes Identifikationsschild hinein und verschloss die Tüte mit einem Clip.
»Wo kommt das Etikett her?«
»Die mache ich hier«, sagte sie. »Jede Leiche bekommt eine Identifikationsnummer, die in die Akte eingetragen wird und auf diesem Etikett steht.«
»Genau wie auf der Body Farm«, sagte ich. »Sie haben hier ein gutes System.«
»Nun, ich hatte zwanzig Jahre Zeit, mein Handwerk zu verfeinern«, antwortete sie lachend.
Die Tüte stand bereits in einem Plastikbehälter, der eine Grundfläche von ungefähr fünfzehn mal zwanzig Zentimetern hatte und zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter hoch war. Sie klappte den Plastikdeckel herunter und ließ ihn einrasten.
»Könnte ich Sie noch um einen Gefallen bitten?«
»Sicher«, sagte sie. »Was?«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich die Tüte herausholen und wiegen würde?«
»Natürlich nicht«, antwortete sie.
Bevor ich das Anthropologische Institut verlassen hatte, hatte ich mir aus Peggys Büromaterialschrank die Briefwaage geborgt. Ich war neugierig, ob die Kremate, die ich von Burt DeVriess bekommen hatte, annähernd so schwer waren wie die aus dem Krematorium. Doch Tante Jean hatte knapp drei Pfund gewogen. Diese Kremate waren fast doppelt so schwer. Ich machte eine Bemerkung über den Unterschied. »Nun, diese Frau war ziemlich dick«, sagte sie. »Schwere Knochen, wie kräftige Menschen gerne sagen.«
»Es stimmt«, sagte ich. »Je schwerer man wird, desto stärker müssen die Knochen sein, allein um das Körpergewicht zu tragen. Knochen sind wie Muskeln – je mehr man sie beansprucht, desto stärker werden sie.«
Sie lächelte. »Diese Analogie gefällt mir. Wie Muskeln.«
»Allerdings ein wenig dauerhafter«, sagte ich. »Besonders wenn Feuer im Spiel ist.«
Ich dankte Helen für ihre Hilfe und eilte zurück zur Universität. In meinem Büro sah ich mir noch einmal die Kremate an, die Burt DeVriess mir geschickt hatte. Da ich den Vergleich noch frisch im Kopf hatte, fand ich es nun noch frappierender, wie falsch sie aussahen. Die Knochenfragmente waren zu groß und zersplittert. Das körnige Material war zu körnig, der Staub zu fein. Und diese Steinchen – die gehörten schlicht und ergreifend nicht hinein. Das hatte ich von dem Augenblick an gewusst, als ich den ersten Blick daraufgeworfen hatte; jetzt betrachtete ich sie als persönlichen Affront. Mit der Spitze eines Bleistifts rührte ich in der Mischung und dachte stirnrunzelnd darüber nach, welche
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