Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
Vom Netzwerk:
Zickzacklinie nach, und ich erkannte, dass es eine Karte war – dieselbe Karte, die ich auf ihrem Computerbildschirm gesehen hatte. Als ich das Büro betrat, richtete sie sich auf und nahm den Finger von der Karte. Sie wirkte verlegen, und aus irgendeinem Grund machte mich das auch verlegen.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte«, sagte ich unbeholfen. »Ich … ich wollte nicht stören.«
    »Hallo, Bill«, sagte Garcia und zog dabei das i furchtbar in die Länge. »Kommen Sie herein. Sie stören nicht.«
    Doch ich wusste, dass ich störte, ich konnte nur nicht genau sagen, wobei. »Ich war auf dem Weg in die Forschungseinrichtung«, sagte ich zu ihm, »und wollte Ihnen ein, zwei Neuigkeiten über den Fall Latham erzählen.«
    »Ja, bitte«, sagte er. »Was gibt es?«
    Ich erzählte ihm, wie ich mit Art und Darren Cash zu dem Abschleppplatz gefahren war und auf dem Rücksitz die Zeitungspapierfetzchen gefunden hatte. Ich erzählte ihm auch von meiner Fahrt zur Farm und dass ich ein mit Draht abgeschnürtes Objekt und einen ovalen Flecken verbrannter Wiese gefunden hatte.
    »Das ist sehr interessant«, sagte er. Doch er wirkte nicht so interessiert, wie ich gehofft hatte. Und ich fand es auch nicht mehr so interessant wie vorhin, als ich ins osteologische Labor gefahren war. Ich hatte Miranda fragen wollen, was sie von all dem hielt, denn sie kannte Stuart Latham, doch dazu war jetzt weder der rechte Ort noch der rechte Zeitpunkt. Schweigen hing in der Luft.
    »War sonst noch etwas, Bill?«, fragte Garcia schließlich.
    »Nein«, sagte ich und schaute von ihm zu Miranda und wieder zurück. »Das war alles. Bis dann.« Ich zog mich zurück und lehnte mich dann noch einmal halb ins Zimmer. »Soll ich die Tür zumachen oder auflassen?« Ich hörte etwas in meiner Stimme – einen Unterton von Misstrauen oder verletzten Gefühlen –, was mir gar nicht gefiel. Hoffentlich hatten die beiden es nicht gehört.
    »Oh, auflassen natürlich«, sagte Garcia ruhig.
    Ich drehte mich um und ging zurück durch den Flur, an dem Mikroskopierraum vorbei, wo immer noch Mirandas offener Rucksack stand. Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt, aber er hatte sich verändert – ich war mir sicher, dass Miranda die Karte, die sie mit Garcia zusammen anschaute, im Knochenlabor ausgedruckt und dann im Rucksack mit hierhergebracht hatte. Auf dem Rückweg zum Stadion fühlte ich mich plötzlich schuldig und voller Angst. Angst wovor? Ich hätte es nicht sagen können, doch vor meinen geistigen Augen blitzte eine Reihe von Gesichtern auf: Miranda. Jess. Garland Hamilton. Stuart Lafham. Edelberto Garcia. Die Gesichter von Frauen, an denen mir etwas lag – und von Männern, die sie bedrohten, in Wirklichkeit oder in meiner überdrehten Fantasie.

12
    Das Straßenschild war halb hinter einem überhängenden Ast verborgen, was tagsüber sicher zum Charme des Viertels beitrug, es in der Nacht jedoch erheblich erschwerte, sich zurechtzufinden. Ich schaltete das Fernlicht ein, doch das verdichtete die Schatten auf dem Schild bloß.
    Den North Hills Boulevard hatte ich ohne Probleme gefunden. Ein großes Schild, rücksichtsvoll in Höhe der Scheinwerfer angebracht, wies vom Washington Pike in das Wohnviertel hinein. North Hills war eines von Knoxvilles »Hills-Vierteln, die in die 1920er Jahre zurückdatierten. Sequoyah Hills, wo es mir gelungen war, zwischen Millionen-Dollar-Villen ein erschwingliches Ranchhaus zu finden, lag am Ufer des Tennessee River, ein paar Meilen westlich der Innenstadt und der Universität. Holston Hills im Osten der Stadt flankierte den Holston River, nur ein Stück flussaufwärts von der Wiese, auf der Miranda und ich die Autos in Brand gesteckt hatten.
    North Hills lag nicht am Fluss und wies auch keine der Country Clubs auf, von denen es in Sequoyah und Holston nur so wimmelte, doch es fehlte ihm nicht an Charme. Ein breiter Mittelstreifen teilte den Boulevard, der sich in das Viertel hineinwand, und verlieh der Gegend eine parkähnliche Aura. Im Frühling leuchteten auf dem smaragdgrünen Gras auf dem Mittelstreifen und in den angrenzenden Höfen Hartriegel, Judasbaum und Azaleen. Doch die diesjährigen Blüten waren schon vor drei Monaten verwelkt, und die Hitze des Sommers – sowie das Gießverbot, das vor zwei Wochen wegen der Dürre hatte verhängt werden müssen – hatte das Gras zu einem blassen, bröseligen Gelbbraun versengt. Die Bäume klammerten sich noch an das Leben und das Grün, doch es war ein trockenes,

Weitere Kostenlose Bücher