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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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verzweifeltes Grün.
    Die Häuser hier waren kleiner, eher Cottages als Villen, also war das Viertel relativ erschwinglich geblieben – das größte Haus in North Hills würde wahrscheinlich für die Hälfte dessen verkauft werden, was ein ähnliches Domizil in Sequoyah kostete. Trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass Miranda sich ein Haus in North Hills leisten konnte. Ihr Assistentinnengehalt reichte unmöglich für die monatlichen Hypothekenraten, ganz zu schweigen von einer Anzahlung. Andererseits, ging mir durch den Kopf, hatte ihre Familie ihr beim Hauskauf vielleicht unter die Arme gegriffen. Oder sie wohnte zur Miete. Sie konnte Mitbewohner haben. Oder einen Partner. Ich wusste nicht viel über Mirandas Privatleben – genaugenommen so gut wie gar nichts. War das so, weil ich ihre Privatsphäre respektierte oder weil ich gleichgültig und egoistisch war und mich nur für die vierzig, fünfzig oder gar sechzig Stunden Arbeit interessierte, die sie jede Woche für mich leistete? Doch wenn es mir egal war, wieso irrte ich dann um neun Uhr abends hier durch das Gewirr der dunklen Straßen, um ihr Haus zu finden?
    Ich schnüffelte hinter ihr her, das machte ich, und diese Erkenntnis beschämte mich. Ich kam mir vor wie ein Stalker oder ein Dieb.
    Während ich noch die Augen zusammenkniff, um den Namen auf dem Straßenschild zu erkennen, kam ein Auto um die Ecke und hielt hinter mir. Ich fluchte leise, rollte ein paar Schritte vor und lenkte nach rechts, damit das Auto sich an mir vorbeiquetschen konnte, und streckte den Arm aus dem Fenster, um es vorbeizuwinken. Sobald die Rücklichter um die nächste Kurve verschwanden, öffnete ich das Handschuhfach, holte eine Taschenlampe heraus und richtete sie auf das grüne Schild. »Kenilworth« war das Wort, das ich suchte, doch den weißen Buchstaben auf dem Schild zu meiner Linken zufolge war der Name der Querstraße Maxwell Street, und wenn ich weiter geradeaus fuhr, war ich gleich auf dem Fountain Park Boulevard. Und was war aus dem North Hills Boulevard geworden, der so elegant und vielversprechend angefangen hatte? Ah, schließlich sah ich, dass er nach rechts abbog und der kleinen Maxwell Street die Show stahl. Es sah so aus, als wäre ich an der Kreuzung North Hills Boulevard und North Hills Boulevard, aber wie konnte das sein? Verwirrt richtete ich das Licht der Taschenlampe auf die Karte, die ich mir ausgedruckt hatte, bevor ich den Campus an diesem Tag verlassen hatte – genau die Karte, die ich auf Mirandas Computerbildschirm und auf Garcias Schreibtisch gesehen hatte.
    Obwohl ich inzwischen seit vier Jahren eng mit Miranda zusammenarbeitete – und obwohl ich mich manchmal gefragt hatte, ob zwischen uns mehr sei als akademische Kollegialität –, war ich noch nie bei ihr zu Hause gewesen. Ich wusste, wo sie wohnte, denn ihre Adresse war in der Akte im Institut, und ihre Gehaltsschecks wurden ihr per Post nach Hause geschickt. Doch immer, wenn wir zusammen zu einem Fall rausfuhren – sogar damals, als die Leiche keinen Kilometer von ihrem Viertel entfernt gefunden wurde –, verabredete sie sich mit mir an der Uni. Hatte ich etwas an mir, was sie beunruhigte und weswegen sie besonders darauf achtete, mir gegenüber ihre Grenzen zu wahren? Oder gehörte sie einfach zu den Menschen, die Arbeit und Zuhause streng getrennt voneinander halten? Offen fragen konnte ich sie das wohl nicht, zumindest nicht, ohne genau auf die Art und Weise aufdringlich zu werden, die sie womöglich nicht mochte.
    Ich wusste nicht so recht, was mich überhaupt gestört hatte, als ich in Garcias Büro getreten war: die bloße Tatsache, dass sie ihm die Karte gegeben hatte, oder die Tatsache, dass Garcia, als ich den Raum betrat, die Karte zusammengefaltet und das Thema gewechselt hatte. Ich hatte versucht, es zu vergessen, doch es hatte mir keine Ruhe gelassen, wie eine Fleischfaser, die einem zwischen den Zähnen hängen geblieben ist. War es möglich, dass sich zwischen Miranda und Garcia etwas anbahnte? Er sah gut aus, das musste ich zugeben, und er wirkte gewandt und auf ruhige Art selbstbewusst. Doch er war erst seit ein paar Wochen hier. Und ich war mir praktisch sicher, dass ich an seiner linken Hand einen Ehering gesehen hatte.
    Es geht dich nichts an !, schimpfte ich mit mir. Du hast recht , es geht mich nichts an , antwortete ich … Und dann beugte ich mich wieder über die Karte. Die Kenilworth Lane lag zwei Blocks hinter dieser seltsamen Ecke, wo die Straße

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