Eine Hand voll Asche
Sean tun würde, was er konnte, um dem Fall bei der Kriminalpolizei Georgia absolute Priorität einzuräumen.
Sein Eifer wurde durch eine durchaus berechtigte Sorge gezügelt. Die Abteilung für forensische Anthropologie der Kriminalpolizei Georgia war klein, und Seans Mittel – Ausrüstung und Personal – würden auch nicht annähernd ausreichen, um so viele Leichen auf einmal zu bergen und zu identifizieren. »Vielleicht möchten Sie Hilfe von DMORT anfordern«, sagte ich. DMORT – das Disaster Mortuary Operational Response Team – war eine landesweit eingesetzte Einheit speziell für die Unterstützung bei Katastrophen mit einer großen Zahl von Todesopfern. Die Mitglieder des Teams, zu denen forensische Anthropologen, Zahnärzte, Bestatter und Angehörige weiterer Berufe gehörten, die darin ausgebildet waren, mit Leichen umzugehen und sie zu identifizieren, waren Freiwillige, doch sie waren exzellent geschult und extrem fähig. DMORT-Teams hatten nach den Angriffen auf das World Trade Center auf Ground Zero Heldenhaftes geleistet, und sie hatten monatelang die Hunderte von Opfern des Hurrikans Katrina identifiziert. Sean stimmte mir zu, dass DMORT wertvolle Unterstützung bieten würde.
»Sie könnten auch das FBI um eine Spurensicherungs-Einheit bitten«, sagte ich. Da, und erst da, erzählte ich ihm in groben Zügen von meiner Unterredung mit Special Agent Price. »Die wollen den Fall nicht übernehmen«, sagte ich, »aber ich schätze, sie wären bereit, die Ärmel hochzukrempeln und bei der Arbeit vor Ort mit anzupacken. Wenn Sie sie darum bitten.«
»Ich werde sicher empfehlen, dass wir sie darum bitten«, sagte er. »Das ist eine große Sache, und wir werden jede Hilfe brauchen, die wir kriegen können.« Er unterbrach sich und sagte dann: »Hm.« Ich wartete, denn ich dachte mir, dass er an einer weiteren Frage herumkaute. Ich hatte recht. »Und wenn meine Chefs mich fragen, woher ich von dieser Sauerei weiß, was sage ich ihnen dann?«
»Die Wahrheit«, sagte ich. »Ich wüsste nicht, was es schaden sollte. Im Gegenteil, vielleicht sind sie eher geneigt, der Geschichte zu glauben, wenn sie wissen, dass der Tipp von einem Typen kam, der eine ziemlich genaue Vorstellung davon hat, wie Leichen im Wald aussehen.«
Darüber musste er lachen. »Stimmt. Die werden den Bericht kaum anzweifeln können, wenn sie wissen, dass er von Ihnen stammt.«
»Ich bin allerdings nicht scharf darauf, dass mein Name in den Nachrichten auftaucht, wenn Sie mich da raushalten können«, sagte ich. »Könnten Sie vielleicht sagen, die Kriminalpolizei hat einen Anruf von einem besorgten Mitbürger erhalten oder etwas in der Art?«
»Ich werde es vorschlagen«, sagte er. »Politisch könnte das durchaus opportun sein – wenn wir sagen: ›Es hat einen Anthropologen aus Tennessee gebraucht, um das aufzuspüren‹, steht die Kriminalpolizei nicht gerade glänzend da. Aber wenn wir sagen: ›Wir haben rasch reagiert, als wir einen Tipp bekamen‹, machen wir wenigstens eine halbwegs kompetente Figur.«
»Von wegen halbwegs kompetent«, sagte ich. »Sie werden Helden sein. Aber nur, wenn Sie aufhören zu quasseln und sich an die Arbeit machen.«
»Richtig«, sagte er. »Vielen Dank, Dr. Brockton.«
»Wie bitte, wer?«
»Oh, tut mir leid. Vielen Dank … Bill.«
Ich sah förmlich, wie er dabei die Zähne zusammenbiss. Aber er hatte es immerhin herausgebracht.
17
Unten in Georgia war ich über einen Haufen Leichen gestolpert, die eingeäschert hätten werden sollen, es aber nicht waren. Hier in Knoxville war ich förmlich besessen von einer Leiche, die nicht hätte eingeäschert werden dürfen, es aber war. Ich schätze, das Universum ist im Gleichgewicht , dachte ich. Außer dass Garland Hamilton immer noch auf freiem Fuß war.
Darren Cash ging beim dritten Klingeln an sein Handy.
»Ich glaube, ich weiß, wie er es gemacht hat«, sagte ich.
»Wie wer was gemacht hat?«
Ich lachte. »Tut mir leid. Hier ist Dr. Brockton von der University of Knoxville. Ich glaube, ich weiß, wie Stuart Latham das Auto in Brand gesetzt hat, während er in Vegas war.«
»Erzählen Sie«, sagte Cash.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie mir glauben würden, wenn ich es Ihnen erzählte«, sagte ich. »Ich würde es Ihnen lieber zeigen. Hätten Sie wohl am Nachmittag oder morgen ein bisschen Zeit für mich übrig?«
»Da Sie so nett fragen«, sagte er, »und da Sie dabei sind, das Alibi eines Mörders platzen zu lassen, nehme ich
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