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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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gesehen. Genaugenommen habe ich weniger als hundert gesehen – vierundneunzig, um genau zu sein. Aber ich habe auch keine systematische Suche durchgeführt. Die vierundneunzig habe ich in zehn Minuten gesehen, in einer Ecke des Waldstücks.«
    »Sie haben vierundneunzig im Wald gestapelte Leichen gesehen?«
    »Ich habe achtundachtzig im Wald gestapelte Leichen gesehen … nun, nicht gerade gestapelt, eher weggeworfen, verstreut, halb versteckt, und sechs weitere in einem zusammengebrochenen Leichenwagen.«
    » Verdammt , Doc«, sagte sie. Es war das erste Mal, dass sie je beeindruckt oder überrascht oder überhaupt irgendwie anders als streng geschäftlich klang. »Gegen solche Leute sehen Sie mit Ihrer Body Farm ganz schön alt aus.«
    »Ja, außer dass die keine Forschung betreiben«, sagte ich. »Oh, und sie nehmen sehr viel mehr Geld ein als ich.«
    »Wie viel kostet eine Einäscherung?«
    »Den Kunden kostet so etwas achthundert bis tausend Dollar«, sagte ich, »doch darin ist schon der Kalkulationsaufschlag des Bestattungsunternehmens enthalten. Das Krematorium selbst stellt nicht so viel in Rechnung, eher um die vierhundert pro Einäscherung. Ich habe gehört, dass der Laden da unten in Georgia es für dreihundert gemacht hat – beziehungsweise nicht gemacht hat.«
    »Hm«, sagte sie. »Also hundert nicht eingeäscherte Leichen – nehmen wir, um die Rechnerei nicht übermäßig zu verkomplizieren, mal eine hübsche runde Zahl – würde einen Dreißigtausend-Dollar-Fall von Betrug ergeben. Habe ich das Komma an der richtigen Stelle?«
    So betrachtet – auf einen Dollarbetrag reduziert – klang die schockierende Szene im Wald recht unbedeutend. »Aber ich wette, da sind noch mehr«, sagte ich. »Vielleicht sehr viel mehr.«
    »Das müssten es«, sagte sie. »Ich sage es nur ungern, Dr. Brockton, aber wir brauchen zehnmal so viele Leichen im Wald, um Ermittlungen durch das FBI zu rechtfertigen.«
    »Soll das heißen, es müssten tausend Leichen sein? Sie machen Witze.«
    »Ich mache nie Witze, Dr. Brockton.« Da hatte sie allerdings recht. »Meine Mitarbeiter stecken bis zum Hals in Fällen – Multimillionen-Dollar-Fällen. Erinnern Sie sich an den Laden drüben in Grainger County, wo wir im letzten Frühjahr eine Razzia gemacht haben? Die haben überall im Süden gestohlene Autoteile verkauft, in Höhe von sage und schreibe sieben Millionen Dollar im Jahr. Ihre Hahnenkampf-Freunde in Cooke County? Illegales Glücksspiel – Hunderttausende von Dollar an jedem einzelnen Tag, an dem die Vögel sich zu Tode gepickt haben.« Genaugenommen schlitzten die Hähne einander zu Tode, wollte ich ihr erklären, doch ich sah nicht viel Sinn darin, Price zu unterbrechen, nur um ihre Beschreibung eines Hahnenkampfes zu korrigieren. »Ich will nicht gefühllos klingen«, sagte sie, »aber ich denke, für uns ist es nicht groß genug. Haben Sie die örtliche Strafverfolgungsbehörde angerufen?«
    »Nein«, sagte ich. »Wir reden von einem ländlichen County in Podunk, Georgia. Die haben nicht mal ansatzweise die Mittel, um mit so etwas zurechtzukommen.«
    »Wenn die örtlichen Behörden Unterstützung anfordern, können wir eine Spurensicherungs-Einheit schicken.«
    »Da sind verdammt viele Spuren sicherzustellen«, sagte ich. »Warum schicken Sie nicht gleich die Kavallerie? Schalten den Vermittler aus?«
    »So läuft das nicht«, sagte sie. »Wir helfen, wenn wir darum gebeten werden – das nennt man ›Kooperation mit den örtlichen Polizeidienststellen‹ –, aber wir müssen angefragt werden. Und im Gegensatz zu dem, was im Fernsehen so gezeigt wird, nehmen wir den Teil mit der ›Kooperation‹ sehr ernst. Rufen Sie die örtlichen Behörden an.«
    »Das ist alles, was Sie für mich haben: ›Rufen Sie die örtlichen Behörden an‹?«
    »Ich fürchte, ja«, sagte sie. »Tut mir leid, wenn das nicht das ist, was Sie hören wollten. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    »Ich schätze nicht«, sagte ich. »Danke.«
    Sie trennte die Verbindung, ohne sich zu verabschieden.
    Angela: So hieß sie. »Vielen Dank auch, Angela«, sagte ich in den toten Hörer.
    Die örtlichen Behörden anrufen? Ich wusste ja nicht mal, wer die waren. Im Auto hatte ich einen Atlas, also holte ich ihn, um mir den Weg von Chattanooga hinunter in die nordwestliche Ecke von Georgia auf der Karte anzusehen. Ich brauchte nicht lange, um festzustellen, in welchem County das Krematorium lag, und die Nummer des County-Sheriffs

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