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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Tabakwarenstand in der Halle. Die hupenden Autos. Verstopfte Parkplätze. Der Aufzug, voller helläugiger Sekretärinnen und Schweißgeruch und Parfümduft.
    Er verließ die Küche, schritt durch den Korridor, an seinem Schlafzimmer vorbei, an dem seiner Frau und in das Wohnzimmer. Die Vordertür war offen, und er ging hinaus auf die Veranda.
    Die Luft war frisch und wohlriechend. Es war strahlend hell. Ein Aprilmorgen. Der Rasen war noch immer taufeucht. Autos rollten durch die Virginia Street in Richtung Shattuck Avenue. Der frühmorgendliche Berufsverkehr, Geschäftsleute auf dem Weg zur Arbeit. Auf der anderen Straßenseite winkte Earl Kelly freundlich mit der Oakland Tribune, während er über den Bürgersteig zur Bushaltestelle hastete.
    In der Ferne konnte Miller Bay Bridge, Yerba Buena Island und Treasure Island erkennen. Jenseits davon erstreckte sich San Francisco. In einigen Minuten würde er in seinem Buick über die Brücke rasen, auf dem Weg ins Büro. Zusammen mit Tausenden anderen Geschäftsleuten in blauen Nadelstreifenanzügen.
    Ted schob sich an ihm vorbei und trat auf die Veranda. »Dann bist du einverstanden? Du hast nichts dagegen, daß wir campen fahren?«
    Miller befeuchtete seine trockenen Lippen. »Ted, hör mir zu. Irgend etwas ist seltsam ...«
    »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht.« Miller wanderte nervös über die Veranda. »Heute ist Freitag, oder?«
    »Natürlich.«
    »Ich dachte es mir.« Aber woher wußte er, daß Freitag war? Woher wußte er das alles? Aber natürlich war Freitag. Eine lange, harte Woche – die ganze Zeit über den alten Davidson im Nacken. Besonders schlimm war es am Mittwoch gewesen, als die Erledigung eines Auftrages von General Electric durch einen Streik verzögert worden war.
    »Ich möchte dich etwas fragen«, wandte sich Miller an seinen Sohn. »Heute morgen – da habe ich die Küche verlassen, um die Zeitung zu holen.«
    Ted nickte. »Ja. Und?«
    »Ich stand auf und ging aus dem Zimmer. Wie lange war ich fort? Nicht lange, oder?« Er suchte nach Worten, aber in seinem Schädel summten tausend zusammenhanglose Gedanken. »Ich saß mit euch allen am Küchentisch, und dann stand ich auf und sah nach der Zeitung. Richtig? Und dann kam ich zurück. Richtig?« Seine Stimme schwankte vor Verzweiflung. »Ich bin heute morgen aufgestanden und habe mich rasiert und angezogen. Ich frühstückte. Toast und Kaffee. Schinken. Richtig?«
    »Richtig«, bestätigte Ted. »Und?«
    »Wie ich es immer tue.«
    »Nur am Freitag gibt es Toast.«
    Miller nickte langsam. »Das stimmt. Toast am Freitag. Weil Onkel Frank samstags und sonntags immer bei uns ißt und keinen Toast ausstehen kann, kaufen wir für’s Wochenende keinen mehr ein. Frank ist Marjories Bruder. Im Ersten Weltkrieg hat er bei der Marine gedient. Er war Korporal.«
    »Auf Wiedersehen«, rief Ted, als Don herauskam. »Bis heute abend.«
    Die Schulbücher unter den Arm geklemmt, eilten die Jungen auf das große, moderne Schulgebäude im Zentrum von Berkeley zu.
    Miller ging ins Haus zurück, und mechanisch suchte er im Schrank nach seiner Aktentasche. Wo steckte sie? Verdammt, er brauchte sie Die gesamten Unterlagen über die Throckmorton-Angelegenheit befanden sich dort drinnen; Davidson würde ihm die Ohren taut brüllen, wenn er sie irgendwo liegenlassen hatte, wie in der True Blue Cafeteria, als sie den Meisterschaftsgewinn der Yankees gefeiert hatten. Wo, zum Teufel, mochte sie nur stecken?
    Langsam richtete er sich auf, als ihm die Erinnerung kam. Natürlich. Er hatte sie auf seinem Schreibtisch hingelegt, nachdem er die Forschungsbänder herausgeholt hatte. Als er mit Fleming gesprochen hatte. In der Geschichtsagentur.
    Er traf seine Frau in der Küche. »Schau«, sagte er rauh. »Marjorie, ich glaube, ich werde heute nicht ins Büro gehen.«
    Marjorie fuhr herum. »George, stimmt irgend etwas nicht?«
    »Ich ... ich bin völlig durcheinander.«
    »Hast du wieder Fieber bekommen?«
    »Nein. Mein Kopf. Wie heißt doch dieser Psychiater, den die Elternpflegschaft empfohlen hat, als Mrs. Bentleys Kind den Anfall bekam?« Er kramte in seinen diffusen Erinnerungen. »Grunberg, glaube ich. Im Ärztehaus.« Er näherte sich der Tür. »Ich werde ihn aufsuchen. Irgend etwas stimmt nicht – absolut nicht. Und ich weiß nicht, was.«
     
    Adam Grunberg war ein großer, schwergewichtiger Mann Ende vierzig mit krausen braunen Haaren und einer Hornbrille. Nachdem Miller mit seinem Bericht fertig war, räusperte sich

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