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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Sie ein netter Mensch, Fleming, und werfen Sie mir meine Aktentasche herüber. Das ist dieser seltsam aussehende Gegenstand auf dem Schreibtisch. Ich habe ihn Ihnen gezeigt – erinnern Sie sich?«
    »Lassen Sie diesen Unsinn und hören Sie mir zu!« schnappte Fleming. »Die Lage ist ernst. Carnap weiß Bescheid. Ich mußte ihn informieren.«
    »Schön für Sie. Ein treuer Bürokrat.«
    Miller neigte den Kopf und setzte seine Pfeife in Brand. Er inhalierte und blies eine große Wolke grauen Tabakrauches durch den fahlen Kreis in die Etage R. Fleming hustete und wich zurück.
    »Was ist das für ein Zeug?« fragte er.
    »Tabak. Eines der angenehmen Dinge, die es hier gibt. Tabak war im zwanzigsten Jahrhundert weit verbreitet. Davon haben Sie keine Ahnung – Ihr Fachgebiet ist das zweite Jahrhundert vor Christi. Die hellenistische Kultur. Ich weiß nicht, wie es Ihnen damals gefallen hätte. Die Lebenserwartung war verdammt kurz.«
    »Wovon sprechen Sie eigentlich?«
    »Im Vergleich dazu ist die Lebenserwartung in meiner Periode recht hoch. Und Sie sollten mein Badezimmer sehen. Gelb gekachelt. Und eine Dusche. In den Freizeitheimen der Agentur gibt es nichts Vergleichbares.«
    Fleming knurrte säuerlich. »Mit anderen Worten, Sie wollen dort bleiben.«
    »Es ist ein angenehmer Ort«, sagte Miller leichthin. »Natürlich ist meine Stellung hier überdurchschnittlich gut. Lassen Sie mich erzählen. Ich habe eine attraktive Frau; Heirat ist in dieser Ära erlaubt, sogar sanktioniert. Ich habe zwei nette Kinder – beides Jungen –, die dieses Wochenende am Russian River verbringen. Sie leben bei mir und meiner Frau – wir haben die alleinige Aufsicht über sie. Darüber hat der Staat noch keine Macht. Ich fahre einen nagelneuen Buick ...«
    »Halluzinationen«, unterbrach Fleming. »Psychotische Halluzinationen.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Sie verdammter Idiot! Ich habe immer gewußt, daß Sie zu egorezessiv sind, um sich der Wirklichkeit stellen zu können. Sie und Ihre anachronistischen Wunschträume. Manchmal schäme ich mich, Theoretiker zu sein. Ich wünschte, ich wäre Ingenieur geworden.« Fleming verzog die Lippen. »Sie sind krank, wissen Sie. Sie stehen im Zentrum einer künstlichen Ausstellung, die der Geschichtsagentur gehört, ein Haufen Plastik und Drähte und Stangen. Eine Kopie der Vergangenheit. Eine Imitation. Und trotzdem sind Sie lieber dort als in der wirklichen Welt.«
    »Merkwürdig«, sagte Miller gedankenverloren. »Mir scheint, als hätte ich das kürzlich schon einmal gehört. Kennen Sie einen Doktor Grunberg? Einen Psychiater.«
    Ohne viel Aufhebens erschien in diesem Augenblick Direktor Carnap mit seinem Troß aus Assistenten und Experten. Fleming zog sich rasch zurück. Miller sah sich mit einmal einem der mächtigsten Männer des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts gegenüber. Er lächelte und streckte die Hand aus.
    »Sie geisteskranker Einfaltspinsel«, knurrte Carnap. »Kommen Sie da heraus, bevor wir Sie holen. Wenn wir das tun müssen, sind Sie erledigt. Sie wissen, was mit fortgeschrittenen Psychopathen geschieht. Man wird Sie euthanasieren lassen. Ich gebe Ihnen eine letzte Chance, aus dieser verdammten Ausstellung herauszukommen ...«
    »Tut mir leid«, erklärte Miller, »aber es ist keine Ausstellung.«
    Carnaps fleischiges Gesicht verriet plötzlich Überraschung. Für einen kurzen Augenblick schien er die Fassung zu verlieren.
    »Sie versuchen noch immer zu behaupten ...«
    »Dies ist ein Zeittor«, sagte Miller ernst. »Sie können mich nicht holen, Carnap. Sie können mich nicht erreichen. Ich befinde mich zweihundert Jahre in der Vergangenheit. Ich habe eine frühere Existenzebene betreten. Ich stieß auf eine Brücke und floh aus Ihrem Kontinuum in dieses hier. Und es gibt nichts, das Sie dagegen unternehmen könnten.«
    Carnap und seine Experten zogen sich zu einer schnellen technischen Beratung zurück. Miller wartete geduldig. Er hatte genug Zeit; er hatte sich entschieden, erst am Montag wieder ins Büro zu gehen.
    Nach einer Weile trat Carnap wieder auf die Öffnung zu und gab acht, daß er nicht über das Sicherheitsgeländer stieg. »Eine interessante Theorie, Miller. Das ist das Seltsame an Psychopathen. Sie rationalisieren ihre Halluzinationen und fügen sie in ein logisches System ein. A priori hört sich Ihr Konzept recht überzeugend an. Für sich betrachtet, scheint es schlüssig zu sein. Nur ...«
    »Nur was?«
    »Nur stimmt es einfach nicht.« Carnap hatte seine

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