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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Grunberg, strich über den Ärmel seines bei Brooks Bros, gekauften Anzuges und fragte nachdenklich: »Ist irgend etwas geschehen, während Sie nach der Zeitung schauten? Irgendein Unfall? Sie sollten das noch einmal in allen Einzelheiten durchgehen. Sie sind also vom Frühstückstisch aufgestanden, auf die Veranda gegangen und haben sich umgesehen. Und was dann?«
    Miller rieb sich benommen über die Stirn. »Ich weiß es nicht. Alles ist durcheinander. Ich erinnere mich nicht, nach der Zeitung gesucht zu haben. Ich erinnere mich nur, in das Haus zurückgekehrt zu sein. Von da an ist alles klar. Aber was davor liegt, das hat alles mit der Geschichtsagentur und meiner Auseinandersetzung mit Fleming zu tun.«
    »Wie war das noch einmal mit Ihrer Aktentasche? Wiederholen Sie das bitte.«
    »Fleming sagte, sie sähe wie eine zerquetschte Echse aus der Jura-Zeit aus. Und ich erwiderte ...«
    »Nein. Ich meine, wie Sie im Schrank danach gesucht und sie nicht gefunden haben.«
    »Ich sah im Schrank nach, und natürlich war sie nicht da. Sie liegt auf dem Schreibtisch in der Geschichtsagentur. Im Stockwerk des zwanzigsten Jahrhunderts. Bei meiner Ausstellung.« Ein seltsamer Ausdruck erschien auf Millers Gesicht. »Großer Gott, Grunberg. Begreifen Sie, daß dies vielleicht nichts anderes als eine Ausstellung ist? Sie und jeder andere – vielleicht sind Sie nicht wirklich. Nur Stücke einer Ausstellung.«
    »Das wäre für uns nicht sehr erfreulich, nicht wahr?« entgegnete Grunberg mit einem milden Lächeln.
    »Die Menschen in den Träumen sind nur so lange wirklich, bis der Träumer erwacht«, versetzte Miller.
    »Also träumen Sie mich«, lachte Grunberg gutmütig. »Ich nehme an, ich sollte Ihnen dankbar dafür sein.«
    »Ich bin nicht hier, weil ich Sie besonders gut leiden mag. Ich bin hier, weil ich Fleming und die ganze Geschichtsagentur nicht ausstehen kann.«
    Grunberg dachte nach. »Dieser Fleming. Haben Sie bereits an ihn gedacht, als Sie nach draußen gingen und die Zeitung suchten?«
    Miller erhob sich und schritt in der luxuriös eingerichteten Praxis hin und her, vorbei an den lederbezogenen Sesseln und dem großen Mahagonischreibtisch. »Ich muß mich mit dieser Tatsache abfinden. Ich bin ein Ausstellungsstück. Eine künstliche Reproduktion aus der Vergangenheit. Fleming sagte etwas davon, daß mir das zustoßen würde.«
    »Setzen Sie sich, Mr. Miller«, bat Grunberg mit freundlicher, aber befehlender Stimme. »Ich verstehe, was Sie meinen. Sie haben das Gefühl, daß alles in Ihrer Umgebung unwirklich ist. Eine Art Staffage.«
    »Eine Ausstellung.«
    »Ja, eine Ausstellung in einem Museum.«
    »In der New Yorker Geschichtsagentur. Etage R, die Etage des zwanzigsten Jahrhunderts.«
    »Und außer diesem Gefühl der ... Substanzlosigkeit gibt es gewisse Erinnerungen an Personen und Orte, die auf dieser Welt nicht existieren. Eine weitere Sphäre, in die diese hier eingebettet ist. Vielleicht sollte ich sagen, in einer Realität, von der aus betrachtet diese hier nur eine Art Schattenwelt darstellt.«
    »Diese Welt macht auf mich keinen schattenhaften Eindruck.« Miller schlug verärgert auf die Lederarmlehne seines Sessels. »Diese Welt ist völlig real. Das ist es auch, was nicht stimmt. Ich bin hierhergekommen, um nach dem Ursprung des Lärms zu forschen, und nun kann ich nicht wieder fort. Großer Gott, muß ich den Rest meines Lebens in dieser Reproduktion verbringen?«
    »Natürlich wissen Sie, daß Ihr jetziges Gefühl irgendwann einmal von den meisten Menschen geteilt wird. Vor allem während Zeiten großer Belastung. Wo – nebenbei gefragt – war die Zeitung? Haben Sie sie gefunden?«
    »Soweit es mich betrifft ...«
    »Irritiert Sie das? Ich habe bemerkt, daß Sie sehr stark auf die Erwähnung der Zeitung reagiert haben.«
    Müde schüttelte Miller den Kopf. »Vergessen Sie’s.«
    »Ja, es ist nebensächlich. Der Zeitungsjunge wirft die Zeitung achtlos in die Büsche und nicht auf die Veranda. Das erregt Ihren Zorn. Es geschieht wieder und wieder. Früh am Morgen, wenn Sie gerade zur Arbeit gehen wollen. Dieser Vorgang scheint im kleinen all die Frustrationen und Nadelstiche zu symbolisieren, die Ihr Beruf mit sich bringt. Ihr ganzes Leben.«
    »Ich persönlich schere mich einen Dreck um die Zeitung.« Miller warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muß jetzt gehen – es ist gleich Mittag. Der alte Davidson wird Zeter und Mordio schreien, wenn ich nicht im Büro bin, wenn ...« Er

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