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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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stieß sie weit auf und bedeutete Gretry, hinter ihr einzutreten.
    In dem Zimmer befanden sich ein junger Mann und ein Mädchen. Sie wichen zurück, als Gretry erschien. Die junge Frau trug einen großen Pappkarton, den der Mann ihr plötzlich übergeben hatte.
    »Wer sind Sie?« fragte der Mann. Unvermittelt griff er wieder nach dem Karton; die kleinen Hände seiner Frau zitterten.
    Gretry stand den Eltern eines Kriechers gegenüber. Die junge braunhaarige Frau konnte nicht älter als neunzehn sein. Sie wirkte schlank und klein in dem billigen grünen Kleid, und sie besaß volle Brüste und dunkle, furchtsame Augen. Der Mann war größer und stärker, ein hübscher junger Bursche mit kräftigen Armen und geschickten Händen, die fest den Pappkarton umklammerten.
    Gretry konnte den Blick von dem Karton nicht abwenden. Luftlöcher waren in den Deckel gestochen worden; der Karton bewegte sich leicht in den Armen des Mannes, und ein leichter Stoß ließ ihn hin und her schwanken.
    »Dieser Mann«, wandte sich Mrs. Higgins an den Ehemann, »ist gekommen, um es abzuholen.«
    Das Paar nahm die Bemerkung schweigend auf. Der Ehemann umklammerte den Karton noch fester.
    »Er wird sie alle auf eine Insel schaffen«, fuhr Mrs. Higgins fort. »Alles ist vorbereitet. Niemand wird ihnen etwas zuleide tun. Sie werden in Sicherheit sein und alles tun können, was sie möchten. Bauen und herumkriechen, wo sie niemand stört.«
    Die junge Frau nickte stumm.
    »Gib es ihm«, befahl Mrs. Higgins ungeduldig. »Gib ihm den Karton, damit es ein für allemal vorbei ist.«
    Nach einem Moment trug der Ehemann den Karton zu dem Tisch und stellte ihn dort ab. »Sie wissen Bescheid?« fragte er. »Sie wissen, was sie essen?«
    »Wir ...«, begann Gretry hilflos.
    »Sie essen Blätter. Nur Blätter und Gras. Wir haben die kleinsten Blätter gesammelt, die wir finden konnten.«
    »Er ist erst einen Monat alt«, erklärte die junge Frau mit rauher Stimme. »Er wollte bereits zu den anderen, aber wir haben ihn hierbehalten. Wir wollten nicht, daß er dorthin geht. Jetzt noch nicht. Vielleicht später, dachten wir. Wir wußten nicht, was wir tun sollten. Wir waren uns nicht sicher.« Ihre großen dunklen Augen blitzten in einer stummen Bitte auf und wurden dann wieder ausdruckslos. »Es ist schwer, das Richtige zu tun.«
    Der Ehemann löste die dicke braune Schnur und öffnete den Deckel des Kartons. »Hier. Sie können ihn sich ansehen.«
     
    Es war der kleinste Kriecher, dem Gretry bisher begegnet war. Bleich und weich, nicht größer als dreißig Zentimeter. Er hatte sich in einer Ecke des Kartons verkrochen und war von einer Schicht zerkauter Blätter und einer Art Paste bedeckt. Eine durchsichtige Hülle, unter der er schlafend dalag.
    »Wir wußten, um was es sich handelte«, erklärte er heiser. »Sofort, als er geboren war. Auf der Straße hatten wir bereits einen gesehen. Einen der ersten. Bob Douglas hat uns zu sich gerufen und ihn uns gezeigt. Er war Bobs und Julies Kind.«
    »Sag ihm, was geschehen ist«, forderte ihn Mrs. Higgins auf.
    »Douglas zertrümmerte ihm mit einem Stein den Kopf. Dann schüttete er Benzin auf den Kadaver und verbrannte ihn.«
    »Sind viele von ihnen getötet worden?« gelang es Gretry zu fragen.
    »Ein paar. Viele der Männer werden verrückt, wenn sie etwas Derartiges sehen. Man kann es ihnen nicht verdenken.« Hoffnungslosigkeit trübte die dunklen Augen des Mannes. »Ich hätte selbst fast genauso reagiert.«
    »Vielleicht hätten wir es tun sollen«, murmelte seine Frau.
    Gretry griff nach dem Pappkarton und näherte sich der Tür. »Wir werden alles so schnell wie möglich erledigen. Die Lastwagen befinden sich bereits auf dem Weg. In einem Tag ist alles vorbei.«
    »Gott sei Dank«, sagte Mrs. Higgins mit undeutlicher, ausdrucksloser Stimme. Sie hielt ihm die Tür auf, und Gretry trug den Karton durch das dunkle, modrig riechende Haus, die durchgetretenen Stufen der Vordertreppe hinunter in die glühende Nachmittagssonne.
    Mrs. Higgins blieb bei den roten Geranien stehen und griff nach ihrer Gießkanne. »Wenn Sie sie fortschaffen, dann schaffen Sie alle fort. Lassen Sie keinen zurück. Verstanden?«
    »Ja«, murmelte Gretry.
    »Lassen Sie einige von Ihren Leuten und Lastern hier. Überprüfen Sie alles. Sorgen Sie dafür, daß sie keinen übersehen.«
    »Wenn sämtliche Familien aus der Nähe des Strahlenlabors evakuiert worden sind, dürfte es keine ...«
    Er verstummte. Mrs. Higgins hatte ihm den

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