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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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geschäftig herum.« Er lenkte das Taxi von dem holprigen Seitenweg, steuerte zwischen zwei gewaltigen Zedern hindurch, über ein schlaglochreiches Feld und hielt schließlich am Rande einer Felsenschlucht an. »Hier ist es.«
    Zum erstenmal erblickte Gretry einen von ihnen lebend.
    Schwerfällig, mit bleiernen, unsicheren Beinen verließ er das Taxi. Die Geschöpfe bewegten sich langsam zwischen den Bäumen und dem Eingangstunnel im Zentrum der Lichtung hin und her. Sie schafften Baumaterial, Lehm und Unkraut, heran. Tränkten es mit ihren Ausscheidungen und transportierten es unter die Erde. Die Kriecher waren zwischen siebzig und hundert Zentimeter lang; einige waren älter, dunkler und schwerer als die anderen. Alle bewegten sich mit quälender Langsamkeit, krochen still und geschmeidig über den heißen Boden. Sie waren weich und ungepanzert und wirkten harmlos.
    Erneut war er von ihren Gesichtern fasziniert und gebannt. Von jener unheimlichen Parodie menschlicher Gesichter. Verhutzelte, kleine Babygesichter mit winzigen Knopfaugen, einem schlitzartigen Mund, abstehenden Ohren und einigen fettigen Haarsträhnen. Statt Armen besaßen sie lange Pseudopodien, die sich wie weicher Teig ausdehnten und verkürzten. Die Kriecher wirkten unbeschreiblich flexibel; sie wurden größer und bogen ihre Körper zurück, wenn ihre Fühler auf ein Hindernis stießen. Sie gönnten den beiden Männern nicht die geringste Aufmerksamkeit; fast schien es, als würden sie sie nicht einmal bemerken.
    »Sind sie gefährlich?« fragte Gretry schließlich.
    »Nun, sie besitzen eine Art Stachel. Ich weiß von einem Hund, den sie gestochen haben. Und zwar verdammt kräftig. Er schwoll an, und seine Zunge wurde schwarz. Er bekam heftige Krämpfe. Dann starb er.« Halb entschuldigend fügte der Fahrer hinzu: »Er hat gewildert. Ihre Baue zerstört. Sie arbeiten die ganze Zeit. Sind immer beschäftigt.«
    »Sind das hier alle?«
    »Ich glaube schon. Sie versammeln sich hier. Ich habe gesehen, wie sie hierhergekrochen sind.« Der Taxifahrer gestikulierte. »Sehen Sie, sie sind an verschiedenen Orten geboren. In jedem Farmgebäude in der Umgebung des Strahlenlabors kamen ein oder zwei von ihnen zur Welt.«
    »Wo liegt die Farm von Mrs. Higgins?« erkundigte sich Gretry.
    »Dort drüben. Können Sie sie durch die Bäume erkennen? Sie wollen ...«
    »Ich bin bald wieder zurück«, erklärte Gretry und setzte sich unvermittelt in Bewegung. »Warten Sie hier auf mich.«
     
    Die alte Frau gab den dunkelroten Geranien, die um ihre Veranda wuchsen, Wasser, als Gretry eintraf. Sie sah rasch auf, das alte, faltige Gesicht mißtrauisch verzogen, die Gießkanne wie eine stumpfe Waffe in der Hand.
    »Guten Tag«, grüßte Gretry. Er tippte an seinen Hut und zeigte ihr seinen Ausweis. »Ich untersuche die ... Kriecher. Jene, die sich am Rande Ihres Besitzes aufhalten.«
    »Warum?« Ihre Stimme war ausdruckslos, hohl, kalt. Wie ihr verrunzeltes Gesicht, ihr Körper.
    »Wir versuchen, eine Lösung zu finden.« Unbehagen und Unsicherheit erfüllten Gretry. »Man überlegt, ob man sie nicht fortschaffen soll, auf eine Insel im Golf von Mexiko. Sie können nicht hierbleiben. Das ist zu hart für die Leute. Es ist nicht richtig«, schloß er lahm.
    »Nein. Es ist nicht richtig.«
    »Und wir haben bereits begonnen, jeden aus der Nähe des Strahlenlabors zu evakuieren. Ich schätze, wir hätten das schon lange vorher machen sollen.«
    Die Augen der alten Frau funkelten. »Sie und Ihre Maschinen. Schauen Sie, was Sie angerichtet haben.« Erregt deutete sie mit ihrem knochigen Finger auf ihn. »Nun müssen Sie alles wieder in Ordnung bringen. Sie müssen etwas unternehmen.«
    »Sobald wie möglich schaffen wir sie zur Insel. Aber es gibt ein Problem. Wir müssen die Erlaubnis der Eltern einholen. Sie müssen zustimmen. Wir können nicht einfach ...« Er verstummte niedergeschlagen. »Was werden sie dazu sagen? Werden sie einverstanden sein, daß wir ihre ... Kinder einfangen und fortkarren?«
    Mrs. Higgins drehte sich um und ging ins Haus. Unsicher folgte ihr Gretry in das dunkle, staubige Innere. Die meisten Zimmer waren voller Petroleumlampen und verblassender Gemälde, alter Sofas und Tische. Sie führte ihn durch eine große Küche, in der riesige Eisentöpfe und Pfannen standen, dann eine Holztreppe hinunter bis zu einer weißlackierten Tür. Sie klopfte energisch.
    Etwas bewegte sich. Nach einer quälend langen Zeit öffnete sich die Tür langsam. Mrs. Higgins

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