Eine handvoll Dunkelheit
hatten, marschierten mit verzerrten Gesichtern, aufgeregt und energisch daher, einige mit Transparenten, andere mit ungefügen Waffen und teilweise uniformiert. Auf den Bürgersteigen schlossen sich ihnen immer mehr Schaulustige an. Blauuniformierte Polizisten stoppten den Bodenverkehr; gleichgültig wartend standen sie da und beobachteten, bereit, bei einem Störversuch zuzuschlagen. Natürlich wagte es niemand. Keiner war solch ein Narr.
»Warum hat das Direktorat das nicht verhindert?« fragte LeMarr. »Ein paar bewaffnete Truppen würden diesem Spuk ein für allemal ein Ende machen.«
Neben ihm lachte John V-Stephens kalt. »Das Direktorat finanziert und organisiert diese Burschen, stellt ihnen Sendezeit im Videonetz zur Verfügung und läßt sogar alle niederknüppeln, die sich darüber beschweren. Schauen Sie sich doch nur die Bullen dort hinten an. Die warten doch nur darauf, zuschlagen zu können.«
LeMarr blinzelte. »Patterson, stimmt das?«
Wutverzerrte Gesichter erschienen vor der Kühlerhaube des schnittigen 64er Buicks. Fußtritte ließen das verchromte Armaturenbrett klirren; Doktor LeMarr schob seine Bänder nervös zurück in ihre Metallhüllen und sah sich wie eine verängstigte Schildkröte um.
»Worüber machen Sie sich Sorgen?« fragte V-Stephens rauh. »Sie werden Sie nicht angreifen – Sie sind ein Erdmensch. Ich bin derjenige, der vor Furcht schwitzen müßte.«
»Die sind verrückt«, preßte LeMarr hervor. »All diese Schwachsinnigen, die dort draußen brüllen und marschieren ...«
»Es sind keine Schwachsinnigen«, widersprach Patterson mild. »Sie sind nur zu vertrauensselig. Sie glauben, was ihnen gesagt wird, genau wie wir. Das Problem ist, daß das, was man ihnen sagt, nicht stimmt.«
Er deutete auf eines der riesigen Banner, eine ungeheure 3-D-Fotografie, die schwankte und sich drehte, während sie weitergeschleppt wurde. »Geben Sie ihm die Schuld. Er ist es, der sich die Lügen ausdenkt. Er ist derjenige, der das Direktorat unter Druck setzt und Haß und Gewalt erzeugt – und der genug Vermögen besitzt, um das zu finanzieren.«
Das Banner zeigte einen weißhaarigen, glattrasierten, würdevollen Mann mit strengen Augenbrauen. Einen gebildeten, schwergewichtigen Mann Ende Fünfzig. Freundliche blaue Augen, ein energisches Kinn, eine beeindruckende und respektierte Erscheinung. Unter dem stattlichen Bild stand sein persönlicher Leitspruch, geprägt in einem Moment der Eingebung.
NUR VERRÄTER SCHLIESSEN KOMPROMISSE!
»Das ist Francis Gannet«, wandte sich V-Stephens an LeMarr. »Ein eindrucksvoller Mensch, nicht wahr?« Er korrigierte sich. »Ein eindrucksvoller Erdmensch.«
»Er sieht so vornehm aus«, bemerkte Evelyn Cutter. »Wie kann ein derart intelligent wirkender Mann etwas mit dem hier zu tun haben?«
V-Stephens lachte starr. »An seinen manikürten, sauberen weißen Händen klebt mehr Schmutz als an denen der Klempner und Tischler, die dort draußen marschieren.«
»Aber warum ...«
»Gannet und seine Gruppe kontrollieren die Transplan Industries, eine Aktiengesellschaft, die den Großteil des Export-Import-Geschäftes der inneren Welten abwickelt. Wenn meine Leute und die Marsianer die Unabhängigkeit erlangen, wird das Auswirkungen auf den Handel haben. Wir werden dann Konkurrenten sein. Aber wie es aussieht, will man das System der Ausbeutung mit allen Mitteln erhalten.«
Die Demonstranten hatten eine Kreuzung erreicht. Einige von ihnen ließen ihre Transparente fallen und schlossen sich zu Gruppen zusammen. Sie riefen Befehle, winkten die anderen herbei und näherten sich dann grimmig einem niedrigen, modernen Gebäude, an dem in Neonschrift das Wort KOLONIALBÜRO stand.
»O Gott«, entfuhr es Patterson. »Sie haben es auf das Kolonialbüro abgesehen.« Er griff nach der Türklinke, aber V-Stephens hielt ihn auf.
»Sie können nichts tun«, erklärte V-Stephens. »Außerdem hält sich in dem Gebäude niemand auf. Gewöhnlich werden sie vorher gewarnt.«
Der Mob warf die Plastikfenster ein und strömte in das prunkvoll eingerichtete kleine Büro. Die Polizisten schlenderten heran, mit verschränkten Armen, und genossen das Spektakel. Aus der zerstörten Vorderfront des Büros wurden zerbrochene Möbelstücke auf den Bürgersteig geschleudert. Akten, Schreibtische, Sessel, Videogeräte, Aschenbecher, sogar Werbeplakate über das glückliche Leben auf den inneren Welten. Beißende schwarze Rauchsäulen stiegen auf, als das Büro durch einen
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