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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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brummte er und holte aus seinem Mantel eine Erste-Hilfe-Kapsel und injizierte ein Beruhigungsmittel in den zitternden Unterarm des Mädchens. »Das wird sie entspannen. Sie ist nicht verletzt – sie haben sie nicht erwischt.«
    »Es ist alles in Ordnung«, murmelte V-Stephens. »Bis auf Miß Cutter, die die Akten und Berichte bearbeitet, sind wir alles Ärzte aus dem Stadtkrankenhaus. Dr. LeMarr ist Neurologe, Dr. Patterson Krebsspezialist, ich bin Chirurg – sehen Sie meine Hand?« Er strich mit seiner Chirurgenhand über die Stirn des Mädchens. »Und ich bin wie Sie ein Venusier. Wir werden Sie ins Krankenhaus bringen und eine Weile dortbehalten.«
    »Haben Sie das gesehen?« stieß LeMarr hervor. »Keiner hat auch nur einen Finger gerührt, um ihr zu helfen. Sie haben nur dagestanden.«
    »Sie hatten Angst«, erklärte Patterson. »Sie wollten keine Schwierigkeiten bekommen.«
    »Das ist nicht möglich«, sagte Evelyn Cutter leise. »Niemand kann sich dieser Art Schwierigkeiten entziehen. Man kann nicht einfach am Straßenrand stehenbleiben und zusehen. Das ist schließlich kein Fußballspiel.«
    »Was wird mit mir geschehen?« stammelte das Mädchen.
    »Sie sollten besser die Erde verlassen«, erwiderte V-Stephens freundlich. »Kein Venusier ist hier mehr sicher. Kehren Sie zurück zu Ihrer Heimatwelt und bleiben Sie dort, bis sich die Sache totgelaufen hat.«
    »Wird es denn aufhören?« keuchte das Mädchen.
    »Vielleicht.« V-Stephens bückte sich und reichte ihr Evelyns Zigarette. »Es kann so nicht weitergehen. Wir müssen unabhängig werden.«
    »Regen Sie sich nicht auf«, sagte Evelyn mit gefährlich klingender Stimme. Ihre Augen funkelten feindselig. »Ich dachte, Sie stünden über diesen Dingen.«
    V-Stephens dunkelgrünes Gesicht errötete. »Glauben Sie, ich könnte einfach danebenstehen, wenn meine Leute getötet und gejagt werden, wenn man unsere Interessen übergeht und ignoriert, damit Bleichgesichter wie Gannet sich an dem Blut bereichern können, das verströmt wird von ...«
    »Bleichgesichter«, wiederholte LeMarr verwundert. »Was bedeutet das, Vachel?«
    »Das ist ihre Bezeichnung für die Erdmenschen«, erklärte Patterson. »Hören Sie, V-Stephens. So weit es uns betrifft, sind es weder Ihre noch unsere Leute. Wir gehören alle der gleichen Rasse an. Ihre Vorfahren waren Erdmenschen, die im späten zwanzigsten Jahrhundert die Venus besiedelten.«
    »Die Veränderungen bestehen lediglich aus kleineren Umweltadaptionen«, wandte sich LeMarr an V-Stephens. »Untereinander können wir noch immer Kinder zeugen – das beweist, daß wir einer Rasse angehören.«
    »Das können wir«, bestätigte Evelyn Cutter dünnstimmig. »Aber wer will schon einen Schwimmfuß oder eine Krähe heiraten?«
    Niemand sagte etwas für eine Weile. Die Atmosphäre in dem Auto war gespannt und feindselig, während Patterson zurück zum Krankenhaus fuhr. Das venusische Mädchen saß zusammengekauert da, rauchte stumm, die angsterfüllten Augen auf den vibrierenden Wagenboden gerichtet.
    Patterson verringerte vor der Kontrollschranke die Geschwindigkeit und zeigte seinen Ausweis. Der Hospitalwächter winkte den Wagen weiter, und er erhöhte die Geschwindigkeit. Als er den Ausweis wieder wegsteckte, berührte er etwas mit den Fingern, das an der Innenseite seiner Tasche befestigt war. Plötzlich kehrte seine Erinnerung zurück.
    »Hier ist etwas, das Sie vielleicht von all dem Ärger ablenken wird«, sagte er zu V-Stephens. Er reichte die versiegelte Kapsel dem Schwimmfuß. »Die Armee hat es uns heute zurückgeschickt. Wegen eines Schreibfehlers. Wenn Sie es sich angeschaut haben, geben Sie es an Evelyn weiter. Es war für sie bestimmt, aber ich war neugierig.«
    V-Stephens öffnete die Kapsel und schüttete den Inhalt aus. Es war ein gewöhnlicher Aufnahmeantrag in ein Regierungskrankenhaus, der mit der Kennziffer eines Kriegsveteranen gestempelt war. Alte, fettverschmierte Bänder und Papiere, die im Lauf der Jahre zerknittert und mit Eselsohren versehen worden waren, ölige Metallfolien, immer wieder zusammen- und auseinandergefaltet, verstaut in einer Hemdtasche über einer schmutzigen, haarigen Brust. »Ist es wichtig?« fragte V-Stephens ungeduldig. »Müssen wir uns um derartige Lappalien kümmern?«
    Patterson brachte den Wagen auf dem Parkplatz des Hospitals zum Stillstand und schaltete den Motor aus. »Beachten Sie die Nummer des Antrages«, riet er, als er die Wagentür öffnete. »Wenn Sie sich die Zeit

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