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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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verheizt«, bemerkte er. »Was soll das eigentlich, all diese lilienweißen jungen Kerle in Uniform? Jeder spaziert herum, macht sich eine schöne Zeit, lacht und schäkert mit den Mädchen, die nichts Besseres zu tun haben, als nackt im Gras herumzuliegen. Das muß doch einen Grund haben. Es muß doch etwas ...«
    »Hier hinein, Sir«, sagte der Roboter, und die Tür zum Zimmer 301 öffnete sich.
    Vachel Patterson erhob sich geschmeidig, als der alte Mann eintrat und aufgebracht, den Aluminiumstock umklammert, vor dem Schreibtisch stehenblieb. Es war das erstemal, daß er David Unger von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Beide Männer sahen sich abschätzend an; der dünne, mürrische alte Soldat und der gutgekleidete junge Arzt mit dem schwarzen, schütteren Haar, der Hornbrille und dem gutmütigen Gesicht. Neben dem Schreibtisch stand Evelyn Cutter gelassen da, hörte zu, eine Zigarette zwischen den roten Lippen, das blonde Haar nach hinten gekämmt.
    »Ich bin Doktor Patterson, und das ist Miß Cutter.« Patterson deutete mit den eselsohrigen, zerknitterten Unterlagen zerstreut auf den Sessel. »Nehmen Sie Platz, Mr. Unger. Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen. Es haben sich einige Probleme mit Ihren Papieren ergeben. Wahrscheinlich nur ein unwichtiger Fehler, aber man hat sie an mich zurückgeschickt.«
    Bedächtig setzte sich Unger. »Diese ständige Fragerei. Ich bin jetzt seit einer Woche hier, und jeden Tag ist etwas anderes. Vielleicht hätte ich einfach auf der Straße liegenbleiben und sterben sollen.«
    »Nach den Unterlagen sind Sie vor acht Tagen eingetroffen.«
    »Vermutlich. Wenn es so da steht, wird es wohl stimmen.« Der matte Sarkasmus des alten Mannes nahm eine boshafte Wendung. »Wenn’s nicht stimmen würde, hätte man das nicht eingetragen.«
    »Sie sind als Kriegsveteran anerkannt. Sämtliche Behandlungs- und Unterhaltskosten trägt das Direktorat.«
    Unger gab sich widerborstig. »Und was ist daran falsch? Ich habe mir auch ein wenig Fürsorge verdient.« Er beugte sich nach vorn und deutete griesgrämig mit dem Finger auf Patterson. »Mit sechzehn trat ich in die Armee ein. Habe mein ganzes Leben lang für die Erde gekämpft und gearbeitet. Wäre noch immer dabei, wäre ich bei einem ihrer dreckigen letzten Angriffe nicht halb umgebracht worden. Kann von Glück reden, überhaupt noch am Leben zu sein.« Er rieb sich über das faltige Gesicht. »Scheint so, als hätten Sie nichts davon mitgekriegt. Wußte nicht, daß es einen Ort gibt, der davon verschont wurde.«
    Patterson und Evelyn Cutter wechselten einen Blick. »Wie alt sind Sie?« fragte Evelyn plötzlich.
    »Steht’s da denn nicht?« fragte Unger verärgert. »Achtundneunzig.«
    »Und Ihr Geburtsjahr?«
    »2154. Können Sie sich das nicht selbst ausrechnen?«
    Patterson machte einen Vermerk auf dem Metallfolienformular. »Und Ihre Einheit?«
    Unger wurde lebendig. »Die Ba-3, falls Sie schon davon gehört haben. Allerdings, wenn ich mir überlege, was hier vorgeht, frage ich mich, ob Sie überhaupt wissen, daß es einen Krieg gegeben hat.«
    »Die Ba-3«, wiederholte Patterson. »Und wie lange haben Sie dort gedient?«
    »Fünfzig Jahre. Dann ließ ich mich pensionieren. Zum erstenmal, meine ich. Ich war damals Sechsundsechzig Jahre alt. Üblicherweise erhält man dann seine Pension und ein Stück Land.«
    »Und man hat Sie wieder einberufen?«
    »Natürlich hat man mich wieder einberufen! Erinnern Sie sich denn nicht, daß die Ba-3 wieder an die Front geschickt wurde, mit uns alten Kerlen, und daß wir sie ein letztesmal zurückgeworfen haben? Sie müssen damals noch ein Kind gewesen sein, aber jeder kennt unsere Taten.« Unger holte seinen Kristallorden Erster Klasse heraus und warf ihn auf den Schreibtisch. »Das habe ich bekommen. Wie jeder von uns Überlebenden. Alle zehn, die von den dreißigtausend übriggeblieben sind.« Mit zitternden Fingern griff er wieder nach der Medaille. »Ich wurde schwer verletzt. Schauen Sie sich mein Gesicht an. Verbrannt, als Nathan Wests Schlachtschiff explodierte. Einige Jahre lag ich in einem Militärkrankenhaus. Das war, als sie bis zur Erde durchbrachen.« Die runzligen Hände ballten sich zu Fäusten. »Wir saßen da herum und mußten zusehen, wie sie die Erde in eine rauchende Ruinenlandschaft verwandelten. Nichts als Schutt und Asche und Tod. Keine Dörfer, keine Städte. Wir saßen da herum, während ihre C-Raketen heranhuschten. Schließlich hatten sie es geschafft – und

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