Eine handvoll Dunkelheit
Krieg verhindern«, stimmte Patterson bedächtig zu. »Er wird den Kolonialplaneten ihre Unabhängigkeit geben. Er wird das Kolonialbüro anerkennen. Er wird David Unger und jeden, der davon weiß, beseitigen. Und er wird als wohltätiger Friedensstifter dastehen.«
»Natürlich. Er stellt bereits Pläne für eine dramatische Reise zur Venus aus. Eine Konferenz in letzter Minute mit dem Kolonialbüro, um die Kriegsgefahr zu beseitigen. Er wird Druck auf das Direktorat ausüben, daß es zurückweicht und Mars und Venus in die Freiheit entläßt. Er wird der Held des Systems sein. Aber ist das nicht besser als die Zerstörung der Erde und das Ende unserer Rasse?«
»Nun wird die Propagandamaschine eine Kehrtwendung machen und gegen den Krieg trommeln.« Patterson lächelte ironisch. »Friede und Verständnis statt Haß und zerstörerischer Gewalt.«
Evelyn ließ sich auf einer Sessellehne nieder und begann geschwind zu rechnen. »Wie alt war David Unger, als er in die Armee eintrat?«
»Fünfzehn oder sechzehn.«
»Wenn ein Mann in die Armee eintritt, dann bekommt er doch eine ID-Kennziffer, nicht wahr?«
»Das stimmt. Und?«
»Vielleicht irre ich mich, aber nach meinen Berechnungen ...« Sie blickte auf. »Unger müßte an sich bald auftauchen und seine Kennziffer erhalten. Je nachdem, wie schnell die Einstellungen erfolgen, könnte diese Nummer jeden Tag vergeben werden.«
Ein seltsamer Ausdruck erschien auf Pattersons Gesicht. »Unger lebt bereits ... als fünfzehnjähriger Junge. Unger, der Junge, und Unger, der senile, alte Kriegsveteran. Beide leben zur gleichen Zeit.«
Evelyn schauderte. »Es ist unheimlich. Angenommen, sie begegnen einander? Zwischen ihnen dürfte es Differenzen geben.«
In Pattersons Gedanken schälte sich das Bild eines helläugigen Jungen von fünfzehn Jahren heraus. Begierig darauf, in den Kampf geschickt zu werden. Bereit, mitzumachen und Schwimmfüße und Krähen mit idealistischer Begeisterung zu töten. In diesem Moment näherte sich Unger unaufhaltsam dem Rekrutierungsbüro ... und das halbblinde, verhutzelte, neunundachtzig Jahre alte Fossil humpelte schwerfällig aus seinem Krankenhauszimmer zu seiner Parkbank, fuchtelte mit seinem Aluminiumstock und schwatzte mit seiner heiseren, mitleiderweckenden Stimme auf jeden ein, der zuhörte.
»Wir müssen die Augen offenhalten«, sagte Patterson. »Sorgen Sie dafür, daß Sie vom Militär benachrichtigt werden, wenn diese Kennziffer vergeben wird. Wenn Unger erscheint, um sich einzutragen.«
Evelyn nickte. »Das ist eine gute Idee. Vielleicht sollten wir das Statistische Amt um eine Überprüfung bitten. Vielleicht können wir so lokalisieren ...«
Sie verstummte. Die Tür ihres Apartments hatte sich lautlos geöffnet. Edwin LeMarr stand da, hielt den Türknauf umklammert und blinzelte mit geröteten Augen in dem fahlen Licht. Schwer atmend betrat er das Zimmer. »Vachel, ich muß mit Ihnen reden.«
»Was ist los?« fragte Patterson. »Was ist geschehen?«
LeMarr warf Evelyn einen haßerfüllten Blick zu. »Er hat ihn gefunden. Ich wußte, daß es ihm gelingen würde. Sobald er Gelegenheit hatte, alles auf Band aufzunehmen und zu analysieren ...«
»Gannet?« Eisige Furcht keimte in Patterson auf. »Was hat Gannet gefunden?«
»Den kritischen Augenblick. Der alte Mann brabbelte etwas von einem Konvoi von fünf Schiffen. Treibstoff für die Schlachtflotte der Krähen. Ohne Eskorte mit Kurs auf die Front. Unger sagt, unsere Scouts werden sie nicht entdecken.« LeMarrs Atemzüge klangen heiser. »Er sagt, wenn wir rechtzeitig davon erfahren hätten ...« Mühsam riß er sich zusammen. »Dann hätten wir sie zerstören können.«
»Ich verstehe«, nickte Patterson. »Und das Gleichgewicht zugunsten der Erde ändern können.«
»Wenn West den Kurs des Konvois in Erfahrung bringt«, schloß LeMarr, »wird die Erde den Krieg gewinnen. Das bedeutet, daß Gannet zuschlagen wird – sobald er über die genauen Informationen verfügt.«
V-Stephens hockte zusammengekauert auf der Bank, die im Flügel der Psychopathologie als Stuhl und Tisch und Bett diente. Eine Zigarette befand sich zwischen seinen dunkelgrünen Lippen. Der würfelförmige Raum war leer. Die Wände glitzerten matt. Von Zeit zu Zeit sah V-Stephens auf seine Armbanduhr und richtete dann seine Aufmerksamkeit wieder auf das Objekt, das an der verriegelten Tür auf und ab krabbelte.
Das Objekt bewegte sich langsam und vorsichtig. Es hatte das Schloß schon
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