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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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das alles angehört. Jetzt kam er schwankend auf die Beine und zitterte vor Zorn. Mit bebenden Fingern deutete er auf den älteren Tinker. »Sie ... Sie mischen sich ein!« keuchte er.
    Sie sahen auf. »Einmischen?«
    »In den Plan! In den kosmischen Plan! Heiliger Elron – Sie widersetzen sich den göttlichen Prozessen. Warum ...« Plötzlich überfiel ihn eine Erkenntnis, die so absonderlich war, daß es ihn bis ins Innere seiner Seele traf. »Sie sind tatsächlich dabei, das Rad zurückzudrehen.«
    »Das«, bestätigte der alte Ben Tinker, »ist richtig.«
    Sung-wu nahm betäubt wieder Platz. Sein Verstand weigerte sich, das Gehörte zu akzeptieren. »Ich verstehe nicht; was wird geschehen? Wenn Sie das Rad verlangsamen, wenn Sie den göttlichen Plan stören ...«
    »Er wird zu einem Problem«, murmelte Ben Tinker nachdenklich. »Wenn wir ihn töten, wird der Arm lediglich einen neuen Kundschafter ausschicken; von seiner Sorte gibt es Hunderte. Und wenn wir ihn nicht töten, wenn wir ihn zurückkehren lassen, wird er einen Aufstand verursachen und ein Geschrei veranstalten, daß sich bald die ganze Kammer hier einfinden wird. Dafür ist es noch zu früh. Wir gewinnen ständig an Stärke, aber einige Monate brauchen wir noch.«
    Schweiß stand auf Sung-wus breiter Stirn. Zitternd wischte er ihn fort. »Wenn Sie mich töten«, preßte er hervor, »dann werden Sie viele Sprossen auf der kosmischen Leiter zurückfallen. Sie sind so weit gekommen; warum wollen Sie die Arbeit von zahllosen vergangenen Jahrhunderten zerstören?«
    Ben Tinker maß ihn mit einem bannenden Blick seiner blauen Augen. »Mein Freund«, sagte er langsam, »stimmt es nicht, daß die nächste Manifestation von dem moralischen Verhalten in dieser Ebene bestimmt wird?«
    Sung-wu nickte. »Das ist allgemein bekannt.«
    »Und was ist richtiges Verhalten?«
    »Den göttlichen Plan zu erfüllen«, antwortete Sung-wu sofort.
    »Vielleicht ist unsere ganze Bewegung Teil des Planes«, fuhr Ben Tinker gedankenverloren fort. »Vielleicht wollen die kosmischen Mächte, daß wir die Sümpfe trockenlegen und die Heuschrecken töten und die Kinder impfen; schließlich haben uns all die kosmischen Mächte hierhergebracht.«
    »Wenn Sie mich töten«, jammerte Sung-wu, »werde ich zu einer aasfressenden Fliege. Ich habe sie gesehen; eine blaue Fliege mit hellen, durchscheinenden Flügeln, die über den Kadaver einer toten Eidechse krabbelt – in einem modrigen, dampfenden Dschungel auf einem fauligen Pfuhl von einem Planeten.« Tränen traten ihm aus den Augen; wütend tupfte er sie fort. »In einem abgelegenen System, auf der untersten Stufe der Leiter.«
    Tinker wirkte belustigt. »Warum?«
    »Ich habe gesündigt.« Sung-wu schluchzte und errötete. »Ich habe Ehebruch begangen.«
    »Können Sie nicht Buße tun?«
    »Ich habe keine Zeit mehr!« Seine Schwermut wuchs zu wilder Verzweiflung. »Meine Gedanken sind noch immer sündig.« Er deutete auf Frija, die vor der Tür zum Schlafzimmer stand, eine geschmeidige weiße und braune Gestalt in ihren Hausshorts. »Ich denke noch immer an fleischliche Begierden; ich kann nichts dagegen tun. In acht Monaten wird die Seuche das Rad für mich drehen – und alles wird vorbei sein. Wenn ich weiterleben und als alter Mann sterben könnte, faltig und zahnlos – ohne Begierden ...« Sein fetter Körper erbebte unter heftigen Krämpfen. »Ich habe keine Zeit, zu büßen und zu bereuen. Nach dem Scanner werde ich als junger Mann sterben!«
    Nach diesem Ausbruch war Tinker still und dachte lange nach. »Die Seuche«, sagte er schließlich. »Wie sehen die Symptome genau aus?«
    Sung-wu beschrieb sie, und sein olivfarbenes Gesicht nahm ein kränkliches Grün an. Als er fertig war, wechselten die drei Männer bedeutungsvolle Blicke.
    Ben Tinker erhob sich. »Kommen Sie«, befahl er knapp und ergriff den Arm des Barden. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Es stammt noch aus der alten Zeit. Früher oder später werden wir genug wissen, um sie selber herzustellen, aber im Moment besitzen wir nur diese wenigen. Wir halten sie sorgfältig versiegelt und streng bewacht.«
    »Und das aus gutem Grund«, fügte einer der Söhne hinzu. »Sie sind es wert.« Er suchte den Blick seines Bruders und lächelte.
     
    Barde Chai hatte Sung-wus Bericht gelesen; er legte das Blatt auf den Tisch und musterte mißtrauisch den jüngeren Barden. »Sind Sie sicher? Gibt es wirklich keinen Grund für weitere Untersuchungen?«
    »Der Kult wird bald

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