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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Sphäre, in die diese hier eingebettet ist. Vielleicht sollte ich sagen, in einer Realität, von der aus betrachtet diese hier nur eine Art Schattenwelt darstellt.“
    „Diese Welt macht auf mich keinen schattenhaften Eindruck.“ Miller schlug verärgert auf die Lederarmlehne seines Sessels. „Diese Welt ist völlig real. Das ist es auch, was nicht stimmt. Ich bin hierhergekommen, um nach dem Ursprung des Lärms zu forschen, und nun kann ich nicht wieder fort. Großer Gott, muß ich den Rest meines Lebens in dieser Reproduktion verbringen?“
    „Natürlich wissen Sie, daß Ihr jetziges Gefühl irgendwann einmal von den meisten Menschen geteilt wird. Vor allem während Zeiten großer Belastung. Wo – nebenbei gefragt – war die Zeitung? Haben Sie sie gefunden?“
    „Soweit es mich betrifft …“
    „Irritiert Sie das? Ich habe bemerkt, daß Sie sehr stark auf die Erwähnung der Zeitung reagiert haben.“
    Müde schüttelte Miller den Kopf. „Vergessen Sie’s.“
    „Ja, es ist nebensächlich. Der Zeitungsjunge wirft die Zeitung achtlos in die Büsche und nicht auf die Veranda. Das erregt Ihren Zorn. Es geschieht wieder und wieder. Früh am Morgen, wenn Sie gerade zur Arbeit gehen wollen. Dieser Vorgang scheint im kleinen all die Frustrationen und Nadelstiche zu symbolisieren, die Ihr Beruf mit sich bringt. Ihr ganzes Leben.“
    „Ich persönlich schere mich einen Dreck um die Zeitung.“ Miller warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich muß jetzt gehen – es ist gleich Mittag. Der alte Davidson wird Zeter und Mordio schreien, wenn ich nicht im Büro bin, wenn …“ Er verstummte. „Das ist es wieder.“
    „Das ist was?“
    „Alles!“ Miller deutete ungeduldig aus dem Fenster. „Dieser ganze Ort. Diese verdammte Welt. Diese Ausstellung.“
    „Ich habe eine Idee“, erklärte Doktor Grunberg langsam. „Ich werde sie Ihnen verraten, und Sie hören einfach zu. Wenn sie Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es nur.“ Er hob das kluge Gesicht und sah ihn ruhig an. „Haben Sie jemals Kinder mit Spielzeugraketen spielen sehen?“
    „Gott“, entgegnete Miller verdrossen, „ich habe Frachtraketen, die zwischen der Erde und dem Jupiter verkehren, auf dem Raumhafen La Guardia landen sehen.“
    Grunberg lächelte matt. „Hören Sie zu. Eine Frage. Ist Ihr Beruf anstrengend?“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Es wäre hübsch“, sagte Grunberg leise, „in der Welt von morgen zu leben. Wo es Raketenschiffe und Roboter gibt, die alle Arbeit machen. Man könnte sich einfach zurücklehnen und sich am Leben erfreuen. Keinen Ärger, keine Sorgen. Keine Frustrationen.“
    „Meine Stellung in der Geschichtsagentur bereitet mir genug Sorgen und Frustrationen.“ Miller stand abrupt auf. „Sehen Sie, Grunberg. Entweder ist dies eine Ausstellung in der Etage R der Geschichtsagentur, oder ich bin ein kleiner Angestellter mit einer Fluchtpsychose. Im Moment kann ich mich noch nicht entscheiden. In dem einen Moment wirkt alles real auf mich, und im nächsten …“
    „Wir können das leicht feststellen“, bemerkte Grunberg.
    „Wie?“
    „Sie haben die Zeitung gesucht. Auf dem Weg, auf dem Rasen. Wo ist es geschehen? Auf dem Weg? Auf der Veranda? Versuchen Sie sich zu erinnern.“
    „Ich brauche mich nicht zu erinnern. Ich war noch auf dem Straßenpflaster. Ich war gerade an den Sicherheitssperren vorbei und über das Geländer gesprungen.“
    „Auf dem Straßenpflaster. Dann gehen Sie zurück. Suchen Sie die genaue Stelle.“
    „Warum?“
    „Damit Sie sich selbst davon überzeugen können, daß sich nichts auf der anderen Seite befindet.“
    Miller holte tief und ausgiebig Luft. „Angenommen, dort befindet sich etwas?“
    „Das ist unmöglich. Sie sagten selbst, daß nur eine der Welten real sein kann. Diese Welt ist real …“ Grunberg klopfte auf den massiven Mahagonischreibtisch. „Ergo werden Sie auf der anderen Seite nichts entdecken können.“
    „Ja“, nickte Miller nach einem Augenblick des Schweigens. Sein Gesicht nahm einen eigenartigen Ausdruck an. „Sie haben den Fehler gefunden.“
    „Welchen Fehler?“ Grunberg war verwirrt. „Was …“
    Miller näherte sich der Tür der Praxis. „Ich beginne zu verstehen. Ich habe die falsche Frage gestellt. Ich habe versucht zu entscheiden, welche Welt real ist.“ „Natürlich sind beide real.“
    Er nahm sich ein Taxi und fuhr zum Haus zurück. Er traf niemanden an. Die Jungen waren in der Schule, und Marjorie war in die Stadt zum Einkaufen

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