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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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er. „Natürlich.“ Er ging zur Kinderpuppe, schaltete sie aus, öffnete sie und holte das Videoband heraus. Mit zitternden Händen trug er es zum Projektor.
    Sie setzten sich und betrachteten die Aufnahme; einen Angriff nach dem anderen, bis ihnen die Augen schmerzten. Die Soldaten rückten vor, zogen sich zurück, wurden erschossen, standen auf, rückten wieder vor …
    „Halten Sie das Band an“, befahl Wiseman plötzlich.
    Die letzte Szene lief noch einmal ab.
    Ein Soldat näherte sich direkt der Zitadellenbasis. Eine Rakete wurde auf ihn abgefeuert, explodierte und verbarg ihn für eine Weile vor den Blicken. Währenddessen starteten die übrigen elf Soldaten einen ungestümen Angriff, um die Mauern zu erklettern. Der Soldat löste sich aus der Staubwolke und marschierte weiter. Er erreichte die Mauer, in der eine Öffnung entstand.
    Der Soldat, der sich gegen die schmutzigbraune Mauer der Zitadelle kaum abhob, benutzte den Lauf seines Gewehres als eine Art Korkenzieher, um seinen Kopf, dann einen Arm und beide Beine zu lösen. Die Teile verschwanden durch die Öffnung in der Zitadelle. Als nur noch der Arm und das Gewehr übrig waren, begannen auch sie, sich in Bewegung zu setzen, augenlos auf die Zitadelle zuzukrabbeln und in ihr zu verschwinden. Die Öffnung schloß sich wieder.
    Nach langer Zeit erklärte Fowler mit heiserer Stimme: „Die Eltern würden annehmen, daß ihr Kind einen der Soldaten verloren oder zerstört hat. Und nach und nach werden es immer weniger – während dem Kind die Schuld gegeben wird.“
    „Was schlagen Sie vor?“ fragte Pinario.
    „Lassen Sie es in Betrieb“, erklärte Fowler, und Wiseman nickte zustimmend. „Es soll weiterlaufen. Aber lassen Sie es nicht aus den Augen.“
    „Ich werde von jetzt an jemanden in diesem Raum postieren“, versicherte Pinario.
    „Am besten ist, Sie bleiben jetzt persönlich hier“, sagte Fowler.
    Und Wiseman dachte: Vielleicht sollten wir alle hier bleiben. Zumindest wir beide, Pinario und ich.
    Ich frage mich, was sie mit den Einzelteilen angestellt hat, überlegte er.
    Was hat sie damit gemacht?
     
    Bis zum Ende der Woche hatte die Zitadelle vier weitere Soldaten absorbiert.
    Als er sie über den Monitor betrachtete, konnte Wiseman keine sichtbare Veränderung feststellen. Natürlich. Die Umwandlung würde sich im Innern abspielen, vor ihren Blicken geschützt.
    Weiter und weiter gingen die endlosen Angriffe, und die Soldaten stießen vor, und die Zitadelle eröffnete das Abwehrfeuer. In der Zwischenzeit waren weitere ganymedische Artikel eingetroffen. Noch mehr Kinderspielzeuge, die untersucht werden mußten.
    „Was nun?“ fragte er sich.
    Das erste war ein offenbar einfaches Produkt; ein Cowboy-Kostüm aus dem antiken amerikanischen Westen. Zumindest war es so deklariert. Dem Merkheft schenkte er nur oberflächliche Aufmerksamkeit; zum Teufel mit dem, was die Ganymeder darüber behaupteten.
    Er öffnete das Paket und breitete das Kostüm aus. Der Stoff war grau und formlos. Was für ein beschissener Job, dachte er. Nur sehr vage erinnerte es an einen Cowboy-Anzug; das Schnittmuster wirkte roh, unfertig. Und das Material leierte aus, als er es untersuchte.
    „Völlig überflüssig“, wandte er sich an Pinario. „Das wird sich nicht verkaufen.“
    „Ziehen Sie es an“, empfahl Pinario. „Dann werden Sie schon sehen.“
    Mit Mühe gelang es Wiseman, sich in den Anzug zu zwängen. „Ist es auch ungefährlich?“ fragte er.
    „Ja“, nickte Pinario. „Ich habe ihn schon angehabt. Eine phantastische Entwicklung. Sie könnte zu einem Verkaufsschlager werden. Um den Anzug in Betrieb zu setzen, müssen Sie Ihre Phantasie spielen lassen.“
    „In welcher Hinsicht?“
    „In jeder.“
    Der Anzug ließ Wiseman an Cowboys denken, und so stellte er sich vor, daß er zu der Ranch zurückkehrte, über den Kiesweg neben der Weide dahin trottete, auf der schwarzfellige Schafe das Heu mit jenen sonderbaren, flinken Kaubewegungen ihrer Kiefern verzehrten. Er hielt am Zaun an – Stacheldraht und in regelmäßigen Abständen ein Pfosten – und betrachtete die Schafe. Unvermittelt strömten sie zusammen und liefen davon, in Richtung eines schattigen Hügels, der am Rande seines Blickfeldes lag.
    Zypressen reckten sich dem Himmel entgegen. Weit oben schlug ein Hühnerhabicht mit pumpenden Bewegungen mit den Flügeln … als ob, dachte er, als ob er sich selbst mit Luft vollsaugen würde, um höher zu steigen. Der Habicht glitt schnell nach

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