Eine Handvoll Dunkelheit
sich die Lügen ausdenkt. Er ist derjenige, der das Direktorat unter Druck setzt und Haß und Gewalt erzeugt – und der genug Vermögen besitzt, um das zu finanzieren.“
Das Banner zeigte einen weißhaarigen, glattrasierten, würdevollen Mann mit strengen Augenbrauen. Einen gebildeten, schwergewichtigen Mann Ende Fünfzig. Freundliche blaue Augen, ein energisches Kinn, eine beeindruckende und respektierte Erscheinung. Unter dem stattlichen Bild stand sein persönlicher Leitspruch, geprägt in einem Moment der Eingebung.
NUR VERRÄTER SCHLIESSEN KOMPROMISSE!
„Das ist Francis Gannet“, wandte sich V-Stephens an LeMarr. „Ein eindrucksvoller Mensch, nicht wahr?“ Er korrigierte sich. „Ein eindrucksvoller Erdmensch.“
„Er sieht so vornehm aus“, bemerkte Evelyn Cutter. „Wie kann ein derart intelligent wirkender Mann etwas mit dem hier zu tun haben?“
V-Stephens lachte starr. „An seinen manikürten, sauberen weißen Händen klebt mehr Schmutz als an denen der Klempner und Tischler, die dort draußen marschieren.“
„Aber warum …“
„Gannet und seine Gruppe kontrollieren die Transplan Industries, eine Aktiengesellschaft, die den Großteil des Export-Import-Geschäftes der inneren Welten abwickelt. Wenn meine Leute und die Marsianer die Unabhängigkeit erlangen, wird das Auswirkungen auf den Handel haben. Wir werden dann Konkurrenten sein. Aber wie es aussieht, will man das System der Ausbeutung mit allen Mitteln erhalten.“
Die Demonstranten hatten eine Kreuzung erreicht. Einige von ihnen ließen ihre Transparente fallen und schlossen sich zu Gruppen zusammen. Sie riefen Befehle, winkten die anderen herbei und näherten sich dann grimmig einem niedrigen, modernen Gebäude, an dem in Neonschrift das Wort KOLONIALBÜRO stand.
„O Gott“, entfuhr es Patterson. „Sie haben es auf das Kolonialbüro abgesehen.“ Er griff nach der Türklinke, aber V-Stephens hielt ihn auf.
„Sie können nichts tun“, erklärte V-Stephens. „Außerdem hält sich in dem Gebäude niemand auf. Gewöhnlich werden sie vorher gewarnt.“
Der Mob warf die Plastikfenster ein und strömte in das prunkvoll eingerichtete kleine Büro. Die Polizisten schlenderten heran, mit verschränkten Armen, und genossen das Spektakel. Aus der zerstörten Vorderfront des Büros wurden zerbrochene Möbelstücke auf den Bürgersteig geschleudert. Akten, Schreibtische, Sessel, Videogeräte, Aschenbecher, sogar Werbeplakate über das glückliche Leben auf den inneren Welten. Beißende schwarze Rauchsäulen stiegen auf, als das Büro durch einen Hitzestrahl in Brand gesetzt wurde. Schließlich kamen die Chaoten wieder heraus, befriedigt und glücklich.
Auf dem Bürgersteig standen die Menschen und verfolgten das Treiben mit gemischten Gefühlen. Einige wirkten entzückt. Andere verrieten vage Neugier. Aber die meisten zeigten Furcht und Unbehagen. Sie wichen hastig zurück, als sich der wild starrende Mob brutal an ihnen vorbeidrängte und die Beute ihrer Plünderung davonschleppte.
„Sehen Sie?“ fragte Patterson. „Diese Aktionen werden nur von einigen tausend Mitgliedern eines Komitees durchgeführt, das von Gannet finanziert wird. Die in der vordersten Reihe sind Angestellte von Gannets Fabriken, Schlägertrupps, die von ihm ausgeschickt werden. Sie versuchen, sich als die Vertreter der Menschheit hinzustellen, aber sie sind es nicht. Sie sind lediglich eine lautstarke Minderheit, ein kleiner Haufen betriebsamer Fanatiker.“
Die Demonstration verlief sich. Das Kolonialbüro war eine verwüstete, feuergeschwärzte Ruine; der Verkehr war zum Erliegen gekommen; die meisten Menschen in der City von New York hatten die gespenstischen Parolen gesehen und das Marschgeräusch und den lautstarken Haß gehört. Die Menschen kehrten in ihre Büros und Geschäfte zurück und machten sich wieder an ihre tägliche Arbeit.
Und dann entdeckte der Mob das venusische Mädchen, das sich in dem verriegelten Eingang zusammengekauert hatte.
Patterson ließ den Wagen nach vorn schießen. Hüpfend und bockend rollte er über die Straße und auf den Bürgersteig, auf das Gewirr der düster dreinschauenden Aufrührer zu. Der Kühler des Autos bohrte sich in die vorderste Reihe und schleuderte sie wie Blätter zur Seite. Der Rest prallte mit der Metallkarosserie zusammen und stolperte als formlose Masse wild um sich schlagender Arme und Beine davon.
Das venusische Mädchen sah das Auto auf sich zuschießen – und die Erdmenschen auf
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