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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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und gejagt werden, wenn man unsere Interessen übergeht und ignoriert, damit Bleichgesichter wie Gannet sich an dem Blut bereichern können, das verströmt wird von …“
    „Bleichgesichter“, wiederholte LeMarr verwundert. „Was bedeutet das, Vachel?“
    „Das ist ihre Bezeichnung für die Erdmenschen“, erklärte Patterson. „Hören Sie, V-Stephens. So weit es uns betrifft, sind es weder Ihre noch unsere Leute. Wir gehören alle der gleichen Rasse an. Ihre Vorfahren waren Erdmenschen, die im späten zwanzigsten Jahrhundert die Venus besiedelten.“
    „Die Veränderungen bestehen lediglich aus kleineren Umweltadaptionen“, wandte sich LeMarr an V-Stephens. „Untereinander können wir noch immer Kinder zeugen – das beweist, daß wir einer Rasse angehören.“
    „Das können wir“, bestätigte Evelyn Cutter dünnstimmig. „Aber wer will schon einen Schwimmfuß oder eine Krähe heiraten?“
    Niemand sagte etwas für eine Weile. Die Atmosphäre in dem Auto war gespannt und feindselig, während Patterson zurück zum Krankenhaus fuhr. Das venusische Mädchen saß zusammengekauert da, rauchte stumm, die angsterfüllten Augen auf den vibrierenden Wagenboden gerichtet.
    Patterson verringerte vor der Kontrollschranke die Geschwindigkeit und zeigte seinen Ausweis. Der Hospitalwächter winkte den Wagen weiter, und er erhöhte die Geschwindigkeit. Als er den Ausweis wieder wegsteckte, berührte er etwas mit den Fingern, das an der Innenseite seiner Tasche befestigt war. Plötzlich kehrte seine Erinnerung zurück.
    „Hier ist etwas, das Sie vielleicht von all dem Ärger ablenken wird“, sagte er zu V-Stephens. Er reichte die versiegelte Kapsel dem Schwimmfuß. „Die Armee hat es uns heute zurückgeschickt. Wegen eines Schreibfehlers. Wenn Sie es sich angeschaut haben, geben Sie es an Evelyn weiter. Es war für sie bestimmt, aber ich war neugierig.“
    V-Stephens öffnete die Kapsel und schüttete den Inhalt aus. Es war ein gewöhnlicher Aufnahmeantrag in ein Regierungskrankenhaus, der mit der Kennziffer eines Kriegsveteranen gestempelt war. Alte, fettverschmierte Bänder und Papiere, die im Lauf der Jahre zerknittert und mit Eselsohren versehen worden waren, ölige Metallfolien, immer wieder zusammen- und auseinandergefaltet, verstaut in einer Hemdtasche über einer schmutzigen, haarigen Brust. „Ist es wichtig?“ fragte V-Stephens ungeduldig. „Müssen wir uns um derartige Lappalien kümmern?“
    Patterson brachte den Wagen auf dem Parkplatz des Hospitals zum Stillstand und schaltete den Motor aus. „Beachten Sie die Nummer des Antrages“, riet er, als er die Wagentür öffnete. „Wenn Sie sich die Zeit nehmen, ihn sich genau anzusehen, werden Sie auf etwas Ungewöhnliches stoßen. Der Antragsteller besitzt die ID-Karte eines alten Veteranen – mit einer Nummer, die sich bisher noch nicht in dem Verzeichnis befindet.“
    LeMarr, hoffnungslos verwirrt, sah von Evelyn Cutter zu V-Stephens, aber niemand gab ihm eine Erklärung.
     
    Die H-Schleife des alten Mannes weckte ihn aus einem erholsamen Schlummer. „David Unger“, sagte die dünne, weibliche Stimme. „Sie müssen zurück ins Krankenhaus. Man erwartet, daß Sie unverzüglich das Krankenhaus aufsuchen.“
    Der alte Mann brummte und richtete sich mühsam auf. Er griff nach dem Aluminiumstock und entfernte sich von der schweißglänzenden Bank und näherte sich dem Ausgang des Parks. Ausgerechnet jetzt, da es ihm endlich gelungen war, einzuschlafen und die viel zu helle Sonne und das schrille Gelächter der Kinder und Mädchen und jungen Soldaten zu vergessen …
    Am Rande des Parkes krochen zwei Gestalten heimlich in die Büsche. David Unger blieb ungläubig stehen, als die Gestalten an ihm vorbei über den Weg glitten.
    Der Klang seiner eigenen Stimme überraschte ihn. Er brüllte mit aller Kraft, stieß Schreie der Wut und des Ekels aus, die durch den Park hallten, über die stillen Bäume und Wiesen. „Schwimmfüße!“ kreischte er. Schwerfällig begann er ihnen nachzusetzen. „Schwimmfüße und Krähen! Hilfe! Zu Hilfe!“
    Er schwenkte den Aluminiumstock und humpelte, hinter dem Marsianer und dem Venusier her und keuchte heftig dabei. Menschen eilten hinzu, mit blassen, erstaunten Gesichtern. Ihre Zahl nahm zu, während der alte Mann das verängstigte Paar verfolgte. Erschöpft taumelte er gegen einen Trinkwasserspender und stürzte halb, verlor den Stock. Sein verhutzeltes Gesicht war aschgrau; die Brandnarbe stach krank und häßlich

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