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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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den Vordersitzen. Einen Moment lang war sie vor Furcht wie gelähmt. Dann wirbelte sie herum und hastete panikerfüllt davon, über den Bürgersteig und in das Menschengewirr, das die Straße verstopfte. Der Mob sammelte sich wieder und nahm einen Augenblick später kreischend die Verfolgung auf.
    „Packt den Schwimmfuß!“
    „Zurück mit den Schwimmfüßen auf ihren eigenen Planeten!“
    „Die Erde den Erdmenschen!“
    Und unter die lautstarken Parolen mischten sich die häßlichen Untertöne aus nonverbaler Lust und Haß.
    Patterson lenkte das Auto zurück auf die Straße. Mit der Faust hämmerte er wütend auf die Hupe und steuerte den Wagen hinter dem Mädchen her, vorbei an dem rennenden Mob. Ein Stein ließ das Rückfenster zersplittern, und Scherben überschütteten die Insassen. Vor ihnen wich die Menge auseinander und machte dem Wagen und dem Mob Platz. Keine Hand erhob sich gegen das verzweifelt rennende Mädchen, als sie schluchzend und keuchend zwischen den geparkten Wagen und den Gruppen der Schaulustigen dahinhastete. Und niemand machte Anstalten, ihr zu helfen. Jeder sah gleichgültig und interesselos zu. Zufällige Zeugen eines Ereignisses, das keinen von den Zuschauern betraf.
    „Ich greif sie mir“, sagte V-Stephens. „Halten Sie vor ihr an, und dann schnappe ich sie mir.“
    Patterson rollte an dem Mädchen vorbei und trat auf die Bremse. Das Mädchen schlug Haken wie ein verschreckter Hase. Mit einem einzigen Satz war V-Stephens aus dem Auto. Er sprintete ihr nach, als sie blindlings auf den Mob zustürmte. Er packte sie und zerrte sie zurück zum Wagen. LeMarr und Evelyn Cutter zogen beide ins Innere; und Patterson ließ das Auto einen Satz nach vorn machen.
    Einen Moment später bog er um eine Ecke, durchbrach eine Absperrung und verließ dann die Gefahrenzone. Das Gebrüll der Menschen, das Klappern der Schritte auf dem Pflaster erstarb hinter ihnen.
    „Es ist alles in Ordnung“, sprach V-Stephens beruhigend auf das Mädchen ein. „Wir sind Freunde. Schauen Sie mich an; ich bin ebenfalls ein Schwimmfuß.“
    Das Mädchen preßte sich gegen die Wagentür, die grünen Augen vor Entsetzen geweitet, das schmale Gesicht verzerrt, die Knie an den Leib gepreßt. Sie war ungefähr siebzehn Jahre alt. Ihre mit Schwimmhäuten versehenen Finger tasteten unkontrolliert über den abgewetzten Stoff ihrer Bluse. Sie hatte einen Schuh verloren. Ihr Gesicht war zerkratzt, ihr dunkles Haar zerzaust. Von ihren bebenden Lippen lösten sich nur unverständliche Laute.
    LeMarr maß ihren Puls. „Ihr Herz springt ihr fast aus der Brust“, brummte er und holte aus seinem Mantel eine Erste-Hilfe-Kapsel und injizierte ein Beruhigungsmittel in den zitternden Unterarm des Mädchens. „Das wird sie entspannen. Sie ist nicht verletzt – sie haben sie nicht erwischt.“
    „Es ist alles in Ordnung“, murmelte V-Stephens. „Bis auf Miß Cutter, die die Akten und Berichte bearbeitet, sind wir alles Ärzte aus dem Stadtkrankenhaus. Dr. LeMarr ist Neurologe, Dr. Patterson Krebsspezialist, ich bin Chirurg – sehen Sie meine Hand?“ Er strich mit seiner Chirurgenhand über die Stirn des Mädchens. „Und ich bin wie Sie ein Venusier. Wir werden Sie ins Krankenhaus bringen und eine Weile dortbehalten.“
    „Haben Sie das gesehen?“ stieß LeMarr hervor. „Keiner hat auch nur einen Finger gerührt, um ihr zu helfen. Sie haben nur dagestanden.“
    „Sie hatten Angst“, erklärte Patterson. „Sie wollten keine Schwierigkeiten bekommen.“
    „Das ist nicht möglich“, sagte Evelyn Cutter leise. „Niemand kann sich dieser Art Schwierigkeiten entziehen. Man kann nicht einfach am Straßenrand stehenbleiben und zusehen. Das ist schließlich kein Fußballspiel.“
    „Was wird mit mir geschehen?“ stammelte das Mädchen.
    „Sie sollten besser die Erde verlassen“, erwiderte V-Stephens freundlich. „Kein Venusier ist hier mehr sicher. Kehren Sie zurück zu Ihrer Heimatwelt und bleiben Sie dort, bis sich die Sache totgelaufen hat.“
    „Wird es denn aufhören?“ keuchte das Mädchen.
    „Vielleicht.“ V-Stephens bückte sich und reichte ihr Evelyns Zigarette. „Es kann so nicht weitergehen. Wir müssen unabhängig werden.“
    „Regen Sie sich nicht auf“, sagte Evelyn mit gefährlich klingender Stimme. Ihre Augen funkelten feindselig. „Ich dachte, Sie stünden über diesen Dingen.“
    V-Stephens dunkelgrünes Gesicht errötete. „Glauben Sie, ich könnte einfach danebenstehen, wenn meine Leute getötet

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