Eine Handvoll Dunkelheit
bewegten sich wie Insektenfühler. Nacheinander schoben sie sich in den Schlitz und suchten nach der nahe gelegenen Kathode.
Unvermittelt flammte ein greller Blitz auf. Eine weiße, beißende Wolke bildete sich, gefolgt von einem durchdringenden Knall. Die Tür rührte sich nicht, als die Hand nach getaner Arbeit zu Boden fiel. V-Stephens drückte seine Zigarette aus, erhob sich geschmeidig und durchquerte den Würfel, um sie aufzuheben.
Als sich die Hand wieder an ihrem Platz befand und Teil seines Neuromuskularsystems war, umklammerte V-Stephens sorgfältig die Schloßumrandung und zog daran. Die Tür gab nach, und er sah sich einem leeren Korridor gegenüber. Kein Laut ertönte, nichts rührte sich. Keine Wächter. Kein Kamerasystem, das die Patienten überwachte. V-Stephens lief los, um eine Biegung und durch eine Anzahl Seitengänge.
Kurz darauf stand er vor einem breiten Fenster und blickte hinunter auf die Straßen, die Nachbargebäude und das Krankenhausgrundstück.
Er nahm die Armbanduhr, das Feuerzeug, den Kugelschreiber, Schlüssel und Münzen, und seine geschickten Fleisch- und Metallfinger montierten flink daraus ein kompliziertes Gebilde. Er löste den Schneiddaumen und schraubte ein Hitzeelement an das Gelenk. Rasch befestigte er dann den Mechanismus unter dem Fensterbrett, so daß er vom Gang aus nicht sichtbar war.
Er zog sich soeben in den Korridor zurück, als ihn ein Geräusch verharren ließ. Stimmen: ein Krankenhauswächter und noch eine weitere Person. Eine vertraute Person.
Er rannte zurück zum Psychopathologie-Flügel und in seinen Würfel. Das Magnetschloß ließ sich nur schwer wieder an seinem Platz befestigen; die Hitze, die durch den Kurzschluß entstanden war, hatte die Klammern verbogen. Kaum hatte er die Tür geschlossen, ertönten draußen Schritte. Das Magnetfeld des Schlosses funktionierte nicht mehr, aber natürlich wußte das der Besucher nicht. V-Stephens hörte amüsiert zu, wie der Besucher sorgfältig das nicht vorhandene Magnetfeld ausschaltete und dann die Tür öffnete.
„Treten Sie ein“, sagte V-Stephens.
Doktor LeMarr folgte der Aufforderung, in der einen Hand eine Aktentasche, in der anderen einen Kältestrahler. „Kommen Sie. Ich habe alles vorbereitet. Geld, falsche Papiere, Reisepaß, Tickets und Starterlaubnis. Von nun an sind Sie ein Handelsvertreter der Schwimmfüße. Wenn Gannet Ihre Flucht entdeckt, werden Sie bereits außerhalb der militärischen Überwachung und der irdischen Gerichtsbarkeit sein.“
V-Stephens war verblüfft. „Aber …“
„Beeilen Sie sich!“ LeMarr deutete mit seinem Kältestrahler hinaus in den Korridor. „Als Mitglied des Krankenhauspersonals besitze ich die Verfügungsgewalt über die psychisch kranken Insassen. Technisch gesehen sind Sie als geistig gestörter Patient hier. Aber wenn Sie mich fragen, so sind Sie nicht verrückter als die anderen. Wenn nicht sogar weniger. Deshalb bin ich hier.“
V-Stephens sah ihn zweifelnd an. „Sind Sie sicher, daß Sie wissen, was Sie tun?“ Er folgte LeMarr in den Korridor, vorbei an dem ausdruckslos dastehenden Pfleger und in den Aufzug. „Man wird Sie als Verräter hinrichten, wenn man Sie faßt. Dieser Pfleger hat Sie gesehen – wie wollen Sie das vertuschen?“
„Ich erwarte nicht, daß ich es vertuschen kann. Sie wissen, daß Gannet hier ist. Er und sein Stab kümmern sich um den alten Mann.“
„Warum erzählen Sie mir das?“ Die beiden Männer schritten die Rampe hinunter in die unterirdische Garage. Ein Aufseher brachte LeMarrs Auto herbei, und sie stiegen ein. LeMarr nahm auf dem Fahrersitz Platz. „Sie wissen, warum man mich in den Psycho-Würfel eingesperrt hat.“
„Nehmen Sie das.“ LeMarr reichte V-Stephens den Kältestrahler und steuerte den Wagen den Tunnel hinauf zur Oberfläche, fädelte sich ein in den dichten New Yorker Mittagsverkehr. „Sie werden Kontakt mit dem Kolonialbüro aufnehmen und es darüber informieren, daß die Erde mit Sicherheit diesen Krieg verlieren wird.“ Er steuerte das Auto von der Hauptstraße in einen Seitenweg und näherte sich langsam dem interplanetaren Raumhafen. „Sagen Sie ihnen, daß sie die Verhandlungen einstellen und unverzüglich zuschlagen sollen. Der totale Krieg. In Ordnung?“
„In Ordnung“, nickte V-Stephens. „Jetzt, da wir den Sieg schon in der Tasche haben …“
„Da täuschen Sie sich.“
V-Stephens wölbte die grünen Augenbrauen. „Oh? Ich dachte, Unger war Zeuge der totalen
Weitere Kostenlose Bücher