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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Harvey sich getrennt hatten, hatte er sie auch weiter besucht, aber auf mehr persönlicher – und gefühlsmäßiger – Basis. Er hatte immer den Eindruck gehabt, daß Elektra Harvey schlecht weggekommen war; Harvey hatte durch seine Rechtsberater sämtliche juristischen Mittel einsetzen lassen, um Elektras Anwalt zu überlisten … der St. Cyrs Juniorpartner gewesen war, Harold Faine. Seit ihrer Niederlage vor Gericht gab St. Cyr sich die Schuld für den unglücklichen Ausgang; warum hatte er nicht persönlich den Fall übernommen? Aber er war so mit Sarapis’ Angelegenheiten beschäftigt gewesen … er hatte einfach keine Zeit gehabt.
    Jetzt, da Sarapis gestorben war und er nicht mehr bei Atlas, Wilhelmina und Archimedean arbeitete, konnte er sich Zeit nehmen, das Ungleichgewicht zu korrigieren; er konnte der Frau helfen, die er – wie er sich eingestand – liebte.
    Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg; zuerst mußte er in Harveys Rechtsabteilung eintreten – um jeden Preis. Und offenbar hatte er Erfolg.
    „Sollen wir das mit Handschlag besiegeln?“ fragte er Harvey und streckte seine Hand aus.
    „In Ordnung“, nickte Harvey gelassen. Er schlug ein. „Nebenbei bemerkt“, fügte er hinzu, „ich glaube, ich weiß – wenn auch nur in Umrissen – warum Sarapis dich mit seinem Testament hinausgeworfen hat. Und das klingt gar nicht nach dem, was du bisher erzählt hast.“
    „Oh?“ machte St. Cyr, zwang sich zur Ruhe.
    „So wie ich es sehe, verdächtigte er jemanden, wahrscheinlich dich, ihn von seiner Rückkehr zum Halbleben abhalten zu wollen. Daß du ein bestimmtes Institut auswählen würdest, zu dem du beste Kontakte besitzt … und daß es dort dann nicht gelingen würde, den alten Mann wiederzubeleben.“ Er sah St. Cyr an. „Und seltsamerweise ist genau das geschehen.“
    Schweigen trat ein.
    Schließlich fragte Gertrude: „Warum sollte Claude denn Louis Sarapis’ Wiederauferstehung verhindern wollen?“
    „Ich habe keine Ahnung“, gestand Harvey. Nachdenklich rieb er sein Kinn. „Ich verstehe nicht einmal ganz das Halbleben. Stimmt es nicht, daß die Halblebenden oft zu neuen Einsichten gelangen, zu neuen Erkenntnissen, und die Dinge aus einer Perspektive sehen, wie es ihnen zu Lebzeiten nicht möglich gewesen war?“
    „Ich habe Psychologen davon reden hören“, stimmte Gertrude zu. „Bekehrung haben das die alten Theologen genannt.“
    „Vielleicht hatte Claude Furcht davor, daß Louis etwas über ihn erfahren würde“, sagte Harvey. „Aber das ist nur eine Vermutung.“
    „Genau, eine Vermutung“, erklärte Claude St. Cyr. „In Wirklichkeit kenne ich absolut niemand, der im Wiedererweckungsgeschäft tätig ist.“ Auch seine Stimme klang ruhig; er zwang sie dazu. Eine unangenehme Situation, sagte er sich. Direkt peinlich.
    Dann erschien das Dienstmädchen und rief sie zum Essen. Phil und Gertrude erhoben sich; Claude schloß sich ihnen an und betrat mit ihnen zusammen das Eßzimmer.
    „Wer“, fragte Phil Harvey, „ist eigentlich Sarapis’ Erbe?“
    „Eine Enkelin, die auf Callisto lebt; sie heißt Kathy Egmont, ein seltsames Mädchen … sie ist erst zwanzig und war schon fünfmal im Gefängnis, hauptsächlich wegen Drogengenuß. Später ist es ihr, soweit ich weiß, gelungen, sich von der Drogensucht zu befreien, und jetzt hat sie sich irgendeiner religiösen Sekte angeschlossen. Ich habe sie nie getroffen, aber ich mußte den umfangreichen Schriftverkehr zwischen ihr und dem alten Louis bearbeiten.“
    „Und sie bekommt das ganze Erbe, wenn Sarapis endgültig stirbt? Mit der ganzen politischen Macht, die es mit sich bringt?“
    „He“, machte St. Cyr, „politische Macht kann nicht vererbt, nicht weitergegeben werden. Kathy bekommt nur die Firmen, die durch die Muttergesellschaft mit Sitz in Delaware gelenkt werden, Wilhelmina Securities, und das gehört ihr, wenn sie wagt, es zu nehmen – falls sie verstehen kann, was sie da erbt.“
    „Du klingst nicht sehr optimistisch“, bemerkte Phil Harvey.
    „Nach ihren Briefen zu schließen – so meine ich zumindest – ist sie krank, kriminell, sehr exzentrisch und labil. Sie wäre die letzte, von der ich wünschen würde, daß sie Louis’ Gesellschaft erbt.“
    Nach dieser Feststellung setzten sie sich an den Tisch.
     
    In der Nacht hörte Johnny Barefoot das Telefon klingeln, setzte sich auf und tastete umher, bis seine Hände den Hörer berührten. Neben ihm im Bett regte sich Sarah Belle, als er brummte:

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