Eine Handvoll Dunkelheit
Kreaturen wimmelte, die in der Nacht kreischten und raschelten. Viele wunderliche Geschöpfe entstanden, Wesen, die ihn erstaunten und verblüfften. Das Brahms-Insekt besaß zahllose Beine, die in allen Richtungen abstanden; ein großer, tellerförmiger Tausendfüßler. Es war flach und klein und mit einem gleichmäßigen Fell bedeckt. Das Brahms-Insekt mochte es, allein zu sein, und es machte sich sogleich von dannen und gab sich große Mühe, dem Wagner-Tier zu entgehen, das vor ihm aus der Maschine gekommen war.
Das Wagner-Tier war groß und von dunklen Farbtupfern übersät. Es schien ein wildes Temperament zu besitzen, und Doc Labyrinth fürchtete sich ein wenig davor, ebenso wie die Bach-Käfer, die kugelförmigen Geschöpfe, von denen es eine ganze Reihe gab, einige groß, andere klein, und alle aus den achtundvierzig Präludien und Fugen entstanden. Und da war der Strawinsky-Vogel, aus vielen kuriosen Fragmenten und Teilen zusammengesetzt, und noch viele andere Wesen.
So ließ er sie frei, setzte sie im Wald aus, und sie eilten davon, hüpften und rollten und sprangen, so gut sie es vermochten. Aber noch immer quälte ihn das Bewußtsein, etwas übersehen zu haben. Jedesmal, wenn ein neues Geschöpf erschien, war er verblüfft; er schien nicht die geringste Kontrolle über die Ergebnisse zu haben. Es lag nicht in seiner Macht, war irgendwelchen mächtigen, unbekannten Gesetzen unterworfen, die unmerklich die Kontrolle übernommen hatten, und dies bedrückte ihn außerordentlich. Seine Schöpfungen formten und veränderten sich unter dem Einfluß einer ungeheuren, unpersönlichen Macht, einer Macht, die Labyrinth weder erkennen noch verstehen konnte. Und dies versetzte ihn in Furcht.
Labyrinth hielt in seinem Bericht inne. Ich wartete eine Weile, aber er schien nicht fortfahren zu wollen. Ich sah mich zu ihm um. Der alte Mann blickte mich auf eine seltsame, flehende Weise an.
„Mehr weiß ich wirklich nicht“, erklärte er. „Schon lange habe ich nicht mehr den Wald aufgesucht. Ich fürchte mich davor. Ich weiß, daß etwas vorgeht, aber …“
„Warum gehen wir nicht beide und schauen uns um?“
Er lächelte erleichtert. „Sie hätten nichts dagegen? Ich hatte gehofft, daß Sie das vorschlagen würden. Diese Angelegenheit beginnt mich zu bedrücken.“ Er zog die Decke zur Seite und stand auf, straffte sich. „Also gehen wir.“
Wir umrundeten das Haus und erreichten über einen schmalen Pfad den Wald. Alles war wild und chaotisch, überwuchert und bewachsen, ein ungebändigtes, zerzaustes Meer aus Grün. Doc Labyrinth ging voran, schob die Äste zur Seite, bückte und schlängelte sich durch das Unterholz.
„Eine ziemliche Wildnis“, bemerkte ich. Wir marschierten weiter. Dunkel und feucht war es im Wald; die Sonne war fast untergegangen, und zarter Nebel umgab uns und driftete durch das über uns lastende Laub.
„Nie kommt ein anderer Mensch hierher.“ Der Doktor blieb unvermittelt stehen und sah sich um. „Vielleicht hätten wir besser mein Gewehr mitnehmen sollen. Ich möchte nicht, daß uns etwas zustößt.“
„Sie scheinen ja ganz sicher zu sein, daß Ihnen die Angelegenheit aus den Händen geglitten ist.“ Ich trat neben ihn, und wir blieben dicht beieinander stehen. „Vielleicht ist es nicht so schlimm wie Sie annehmen.“
Labyrinth sah sich um. Mit dem Fuß schob er Gestrüpp hinweg. „Sie sind hier um uns, überall, und sie beobachten uns. Spüren Sie das denn nicht?“
Ich nickte zerstreut. „Was ist das?“ Ich hob einen schweren, vermoderten Ast auf, und Holzschwamm bröckelte von ihm ab. Ich zerrte ihn aus dem Weg. Ein Haufen lag dort, formlos und unidentifizierbar, halb in der weichen Erde begraben.
„Was ist das?“ fragte ich erneut. Labyrinth starrte nach unten, und auf seinem blassen Gesicht erschien ein verlorener Ausdruck. Ziellos stocherte er mit der Schuhspitze in dem Haufen. Ich fühlte mich ungemütlich. „Um Gottes willen, was ist das?“ rief ich. „Wissen Sie es?“
Labyrinth blickte langsam zu mir auf. „Es ist das Schubert-Tier“, murmelte er. „Oder – es war das Schubert-Tier. Jetzt ist nicht mehr viel davon übrig.“
Das Schubert-Tier – es war das Geschöpf, das wie ein Lamm herumgesprungen und hin und her gelaufen war, töricht und verspielt. Ich bückte mich, betrachtete den Kadaver und wischte einige Blätter und Zweige fort. Es war tot. Das Maul stand offen und der Rumpf war weit aufgerissen. Ameisen und Aaskäfer wimmelten
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