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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Labyrinth. „Rasch!“
    Ich hastete hinterher. Aufgeregt rollte die Kugel weiter, schließlich fing ich sie dann doch in meinem Taschentuch.
    Labyrinth starrte das Taschentuch an, in dem es zappelte, als ich mich aufrichtete. „Ich kann es kaum glauben“, sagte er. „Wir sollten besser zum Haus zurückkehren.“
    „Was ist das?“
    „Einer von den Bach-Käfern. Aber er hat sich verändert …“
    Wir wanderten über den Pfad, näherten uns dem Haus und tasteten uns durch die Dunkelheit.
    Wir betraten den Garten und gingen die Hintertreppe hinauf auf die Veranda. Labyrinth schloß die Tür auf, und wir schritten in die Küche.
    Ich nahm ein leeres Marmeladenglas vom Regal und ließ vorsichtig den Bach-Käfer hineinfallen. Zornig rollte der Ball in seinem Käfig, als ich den Deckel zudrehte. Ich setzte mich an den Tisch. Keiner von uns sagte etwas. Labyrinth stand vor dem Spülstein und ließ kaltes Wasser über seine geschwollene Hand laufen.
    „Nun?“ sagte ich schließlich.
    „Es besteht kein Zweifel mehr.“ Labyrinth kam herüber und nahm mir gegenüber Platz. „Sie unterliegen einer Art Metamorphose. Am Anfang besaß es mit Sicherheit keine Giftstacheln. Wissen Sie, es ist nur gut, daß ich meine Rolle als Noah nur sehr vorsichtig gespielt habe.“
    „Was meinen Sie damit?“
    „Ich habe sie alle geschlechtslos erschaffen. Sie können sich nicht vermehren. Es wird keine zweite Generation geben.“
    „Ich muß gestehen, daß ich froh bin, dies zu hören.“
    „Ich frage mich“, murmelte Labyrinth, „ich frage mich nur, wie es jetzt klingen mag, in diesem Zustand.“
    „Was?“
    „Die Kugel, der Bach-Käfer. Das ist die entscheidende Prüfung, nicht wahr? Ich kann ihn wieder in die Maschine einfüttern. Dann würden wir es erfahren. Möchten Sie es nicht auch gerne wissen?“
    „Wenn Sie meinen, Doc“, nickte ich. „Es liegt an Ihnen.“
    Vorsichtig griff er nach dem Marmeladenglas, und wir stiegen die Treppe hinunter, eine steile Stufe nach der anderen, hinab in den Keller. Ich entdeckte eine große Metallsäule in einer Ecke neben dem Waschkessel. Ein seltsames Gefühl überkam mich. Es war die Konservierungsmaschine.
    „Das also ist sie“, sagte ich.
    „Ja, das ist sie.“ Labyrinth schaltete die Kontrollen ein und beschäftigte sich eine Weile mit ihnen. Schließlich nahm er das Glas und hielt es über den Trichter. Bedächtig entfernte er den Deckel, und widerstrebend fiel der Bach-Käfer aus dem Glas in die Maschine. Labyrinth schloß hinter ihm die Klappe des Trichters.
    „Also los“, murmelte er und aktivierte die Kontrollen, und die Maschine begann zu arbeiten. Labyrinth verschränkte die Arme, und wir warteten. Draußen brach die Nacht herein und erstickte die Helligkeit, bis auch der letzte Lichtschimmer erloschen war. Schließlich blinkte ein Signallämpchen an der Front der Maschine auf. Der Doktor schaltete die Kontrollen auf AUS. Wir standen schweigend da, und keiner von uns wollte derjenige sein, der es brach.
    „Nun?“ sagte ich endlich. „Wer von uns soll einen Blick darauf werfen?“
    Labyrinth gab sich einen Ruck. Er öffnete die Klappe und griff in die Maschine. In seinen Fingern hielt er ein schmales Blatt, eine Partitur. Er reichte sie mir. „Das ist das Ergebnis“, erklärte er. „Wir können nach oben gehen und es spielen.“
    Wir gingen hinauf in das Musikzimmer. Labyrinth setzte sich an das große Klavier, und ich gab ihm die Partitur zurück. Er schlug das dünne Notenheft auf und studierte es eine Weile; und sein Gesicht war leer, ausdruckslos. Dann begann er zu spielen.
    Ich lauschte der Musik. Sie klang abscheulich. Etwas Ähnliches hatte ich noch nie gehört. Sie war verzerrt, diabolisch, ohne Sinn oder Bedeutung, sah man von einer fremdartigen, abstoßenden Bedeutung ab, die nicht hätte vorhanden sein sollen. Nur mit äußerster Anstrengung konnte ich mir ins Gedächtnis zurückrufen, daß dies einst eine Fuge von Bach gewesen war, Teil eines akkuraten und respektierten Werkes.
    „Das gibt den Ausschlag“, sagte Labyrinth. Er stand auf, nahm das Notenheft in die Hand und zerriß es in kleine Stücke.
    Als wir den Weg hinunter zu meinem Auto gingen, erklärte ich: „Ich vermute, daß der Überlebenskampf eine weit stärkere Macht ist als jedes menschliche Ethos. Dagegen ist unsere kostbare Moral, sind unsere Sitten ein Nichts.“
    Labyrinth stimmte zu. „Vielleicht ist dann jeder Versuch, derartige Dinge zu retten, von vornherein zum Scheitern

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