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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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Dann wollte ich meine Augen nicht mehr schließen und überlegte mir in der Dunkelheit Spiele. Spiele, die ich mit Oma gespielt hatte. Ich flüsterte leise: »Wie heißt du?« Und antwortete: »Monika. Und wie heißt dein Vater? – Gerd Clausen. Er ist der liebste Papa der Welt. – Und deine Mama? – Die heißt Charlotte. Und sie hat wunderschöne blaue Augen. – Und wo wohnst du? – In Königsberg, und da wartet meine Mama auf mich.« Immer und immer wieder spielte ich dieses Spiel.
    Dieses Mal wollte ich Peter vorher noch etwas zu trinken geben. Vorsichtig suchte ich nach dem Fläschchen in seiner Decke und spürte sofort die Hitze des kleinen Körpers. Ich fühlte nach Peters Gesicht. Es glühte. »Du hast Fieber«, sagte ich erschrocken. Das hatte ich selbst auch schon einmal gehabt, und der Arzt war gekommen. Ich gab Peter mit zitternden Händen das Wasser zu trinken. »Nicht krank werden, Peterchen«, sagte ich. »Nicht krank werden. Ich muss doch auf dich aufpassen. Mama schimpft mit mir, wenn ich dich nicht gesund nach Hause bringe.« Ich fühlte mich elend. Schlimmer als der Hunger, als der Durst und als aller Dreck und Gestank war es, dass es Peter nicht gut ging. Ich weinte zum ersten Mal auf dieser Fahrt, zum ersten Mal liefen mir die Tränen heiß über das Gesicht, und ich konnte das Schluchzen nicht unterdrücken. Als ich kaum noch Kraft zum Weinen hatte, rief ich leise: »Mama … Mama, hilf mir doch. Ich schaffe es nicht, allein auf Peter aufzupassen. Mama, hörst du? Hilf uns doch.« Aber sie antwortete mir nicht. Ich war allein. Mit Peter. Und er war krank. Ich nahm ihn in den Arm und schaukelte ihn und schaukelte mich mit ihm.
    Trotz der Planen wehte Schnee auf die Ladefläche. Die Decken reichten gegen die Kälte längst nicht mehr aus, Essen gab es auch keins mehr, die Kleidung war verteilt. Ich trug jetzt eine Jungenhose unter meinem Kleid und dem Wintermantel. Den Gestank nahmen wir entweder nicht mehr wahr, oder die Kälte schluckte ihn. Dabei übergaben sich jetzt auch noch einige von uns. Vielleicht vor Hunger, vielleicht hatten sie den leeren Magen mit dreckigem Stroh beruhigen wollen?
    Peters Fieber wollte und wollte nicht sinken; sein großer Kopf auf dem kleinen Körper glühte hochrot, und seine feinen blonden Haare klebten nass in seinem Gesicht. Ich tupfte ihn mit meinem Ärmel trocken und legte mich zu ihm.
    Diesmal träumte ich im Schlaf von einem Glas mit warmer Milch, das vor mir auf dem Tisch in der Stube stand. Ich trank es in einem Zug aus. Mama kam und schenkte mir nach. »Trink nur, mein Liebes, trink nur. Es ist genug da …«
    Der Schmerz in meinen steifgefrorenen Beinen weckte mich. Peter lag zitternd in meinem Arm. Ich tastete sofort unter der Decke nach ihm. Die Hitze war verflogen. Peters Wangen waren kalt, so kalt wie meine Hände. »Komm, ich wärm dich«, sagte ich und rückte noch näher an ihn heran. »Wenn du kein Fieber mehr hast, dann geht es dir bald besser.« Leise sang ich unser Schlaflied.
    Ich blinzelte in das dämmrige Licht. Schnee tanzte in der Luft. Mein Mund war trocken und der Magen leer. Aber ich war zu müde, um die Flocken aufzufangen. Der Lastwagen hatte wieder einmal gestoppt, gleich würden wir sicher wieder Schaufeln bekommen und frisches Stroh und endlich auch wieder Wasser … Doch irgendetwas war anders als sonst. Die Kinder neben mir gingen aufgeregt in die Hocke, manche standen mit wackligen Beinen auf. »Wir sind da«, sagte ein Kind leise. Und im selben Moment wurde die Plane hochgeschlagen, und ich sah diese wunderschönen blonden Haare. »Mama«, flüsterte ich. »Mama, da bist du ja.«
    »Kinder, runter!«, rief die Frau in gebrochenem Deutsch. Sie trug wie die Männer eine Uniform. Diese Frau war nicht meine Mama, und wir standen auch nicht im Hof meiner Großeltern, wie ich einen Augenblick lang gedacht hatte. »Alle runter von Wagen!«, rief die Frau jetzt noch einmal, und die Kinder, die noch genug Kraft hatten, sprangen von der Ladefläche in den Schnee. Die meisten aber brauchten Hilfe. Ich versuchte Peter zu wecken, aber er schlief fest. Also blieb ich mit ihm erst einmal in unserer Ecke sitzen und blickte auf den hohen Zaun mit Stacheldraht und auf das große beleuchtete Tor in der Mitte. Es stand offen, gerade fuhr ein weiterer Lastwagen ein.
    Nur noch wenige Kinder waren auf dem Wagen, und ich sah zu, wie sie nach vorn gekrochen kamen und von der Frau oder einem Soldaten heruntergehoben wurden. Mir war schlecht vor

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