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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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meine Tränen. »O nein, warum weinst du denn? Ach, ich hätte dir das nicht erzählen sollen … Monika, deine Mama freut sich auf dich. Und der Toni ist heute ein ganz bekannter Mann. Er ist ein erfolgreicher Skifahrer. Und wenn du die beiden morgens nur ordentlich wachrüttelst, wird schon alles gut.« Sie hatte mir ein Taschentuch mit Stickerei darauf gereicht, und ich tupfte mein Gesicht trocken. Das mulmige Gefühl aber blieb.
    Onkel Werner dachte, ich schliefe, und stupste mich an. »In ein paar Minuten sind wir in Oberstdorf.« Nun konnte ich meine Aufregung und Freude kaum noch aushalten. Wie gut, dass ich das Taschentuch von Tante Maria hatte mitnehmen dürfen. Ob Mama da sein würde? War sie auch so aufgeregt? Freute sie sich? Ein bisschen wenigstens?
    Der Zug wurde langsamer und als wir in den Bahnhof einfuhren, stand ich am Fenster und betrachtete im Vorbeirollen die wenigen Wartenden auf dem Bahnsteig … Und dann stellte ich mir vor, wie es sein würde, und sah schon im nächsten Augenblick Mamas blondes Haar und ihr wunderschönes Gesicht. Da war sie, meine Mama, im schwachen Licht unter einer der Laternen, und sie wartete auf mich …
    »Monika, jetzt haben wir keine Zeit zum Träumen«, sagte Onkel Werner und lachte. Der Zug stand bereits, und die ersten Reisenden waren ausgestiegen. »Beeil dich!« Onkel Werner schob mich zum Ausgang vor sich her. Neblige Abendluft schlug uns an der Tür entgegen. »Vorsicht, die Stufen sind hoch«, sagte er hinter mir. Und gerade als ich den letzten Tritt hinunterstieg, tauchte wie aus dem Nichts plötzlich eine dunkle Gestalt auf, drückte mich an sich und küsste mich. Volle, raue Männerlippen auf meinem kalten Mädchenmund. Der Mann lachte, ich rang nach Luft. »Willkommen in Oberstdorf, Monika«, sagte der Fremde. »Grüß Gott, Werner, wie war die Fahrt?«
    »Grüß dich, Toni. Danke, danke … Monika, das ist der Toni, dein neuer Papa.«
    Ich traute mich kaum, ihn anzuschauen, sah nur die schwarze Locke, die ihm in die Stirn fiel und im Schein der Bahnhofslichter glänzte. Das Gesicht im Schatten war nicht zu erkennen. Noch bevor sich mein Atem beruhigt hatte, griff er nach meiner Hand. »Du zitterst ja!« Er legte den Arm um mich und hielt mich den ganzen Weg an seiner Seite, während er uns durch die spärlich beleuchteten Straßen von Oberstdorf führte. Ich tippelte wie aufgezogen neben ihm her.
    »Dort wohnen wir, dort ist jetzt auch dein Zuhause«, sagte Toni, und zeigte auf ein hell erleuchtetes weißes Haus mit Holzbalkonen. Ich reckte den Hals, aber an keinem der Fenster war Mama auszumachen. Ging es ihr nicht gut? War sie deshalb nicht mit zum Bahnhof gekommen? Ich war in Gedanken nur noch mit ihr beschäftigt und folgte Toni und meinem Onkel, ohne mich in dem Haus umzuschauen.
    »Schwesterchen, ich hab dir jemand mitgebracht.« Die Worte von Onkel Werner holten mich schlagartig zurück ins Jetzt. Und als Toni und Onkel Werner zur Seite traten, sah ich sie. Auf einem großen Bett, nur eine kleine Nachttischlampe brannte, saß sie und drehte sich zu mir um. Überwältigt von Gefühlen, meinte ich, meine Beine würden einknicken. Mir war schwindelig vor Glück. Sie war es. Ich war wieder bei meiner Mama.
    Sie stand auf und kam mit ruhigen Schritten auf mich zu. Ihr blondes Haar lag in Wellen, sie war wunderschön, viel schöner als die Russin. Und vor allem, ich erkannte sie wieder, nicht nur das Haar, ihr Gesicht, sondern auch ihre Art sich zu bewegen, und ich war erfüllt von einem Gefühl der Wärme, wie ich es nie zuvor erlebt hatte und nie wieder danach erleben würde. Sie nahm mich in den Arm, und wir weinten. Wir wollten uns nicht mehr loslassen, vielleicht auch aus Angst, die andere würde allein den Halt verlieren. Es war, als bliebe die Zeit in diesem Augenblick stehen. Könnten wir doch nur in dieser Umarmung all die verpassten Jahre nachholen … Als wäre nie etwas anderes gewesen, nie etwas Schlimmes geschehen … Unter Tränen sog ich Mamas Duft ein und vergrub mein Gesicht im Stoff ihres Kleides. Jetzt gab es nur uns beide. Und bei diesem ersten Wiedersehen war es gleichgültig, warum sie mich nicht gesucht hatte. Ich war einfach nur beseelt davon, dass ich sie wiedergefunden hatte. All die Jahre hatte ich mich so sehr danach gesehnt, von ihr im Arm gehalten und beschützt zu werden, geliebt zu werden.
    Onkel Werner und Toni sagten, sie ließen uns mal allein, und ich dachte, wir wären die Einzigen in dem Schlafraum, doch auf einmal

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