Eine Handvoll Worte
Sie noch nicht haben durchsehen können, und ich versuche, es auf eine Seite zu stellen.«
Als sie ihre Habseligkeiten einsammelt, sagt er: »Ich persönlich glaube, dass sie wahrscheinlich Nein gesagt hat.« Sein Ausdruck ist undefinierbar. »Aber das muss ja nicht der schlimmste Ausgang sein, oder?«
Ich liebe dich jedenfalls – auch wenn es kein ich oder eine Liebe oder gar ein Leben gibt – ich liebe dich.
Zelda an F.Scott Fitzgerald, per Brief
17
E llie Haworth lebt den Traum. Das redet sie sich oft ein, wenn sie nach zu viel Wein verkatert aufwacht mit dem Gefühl von Melancholie, in ihrer perfekten kleinen Wohnung, die niemand in ihrer Abwesenheit in Unordnung bringt. (Insgeheim wünscht sie sich eine Katze, befürchtet jedoch, zu sehr zu einem Klischee zu werden.) Sie hält an einem Job als Feuilletonistin fest, hat fügsame Haare, einen Körper, der im Grunde an den richtigen Stellen rundlich und schlank ist, und ist so hübsch, dass sie Aufmerksamkeit erregt, die beleidigt, wie sie noch immer vorgibt. Sie hat eine böse Zunge – ihrer Mutter zufolge zu böse –, Schlagfertigkeit, mehrere Kreditkarten und ein kleines Auto, mit dem sie ohne männliche Hilfe zurechtkommt. Wenn sie Menschen trifft, die sie aus der Schulzeit kennt, spürt sie Neid, wenn sie ihr Leben schildert: Sie hat noch nicht das Alter erreicht, in dem der Mangel an Ehemann oder Kindern als Versagen eingestuft werden könnte. Lernt sie Männer kennen, merkt sie, dass sie Ellies Eigenschaften abhaken – toller Job, nettes Gestell, Sinn für Humor –, als wäre sie eine Siegestrophäe.
Wenn sie neuerdings das Gefühl hat, der Traum sei ein wenig verschwommen, der Biss, für den sie im Büro einmal berühmt war, habe sie verlassen, seit John kam, die Beziehung, die sie einmal als belebend empfunden hatte, verschlinge sie allmählich derart, dass es eigentlich nicht mehr beneidenswert ist, schaut sie lieber nicht so genau hin. Schließlich ist es leicht, wenn man von seinesgleichen umgeben ist, Journalisten und Schriftstellern, die viel trinken, feiern, schmutzige, katastrophale Affären und unglückliche Partner zu Hause haben, die sich am Ende auch auf Affären einlassen, weil sie es leid sind, vernachlässigt zu werden. Sie ist eine von ihnen, eine aus ihren Kohorten, lebt das Leben wie auf den Seiten der Hochglanzmagazine, ein Leben, das sie angestrebt hat, seitdem sie hat schreiben wollen. Sie ist erfolgreich, alleinstehend, egoistisch. Ellie Haworth ist so glücklich, wie sie nur sein kann. Wie überhaupt jemand, wenn man es recht bedenkt.
Und niemand bekommt alles, sagt sich Ellie, wenn sie hin und wieder aufwacht und versucht, sich daran zu erinnern, wessen Leben sie führen soll.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, du alte Schlampe!« Corinne und Nicky warten in der Kaffeebar, winken und klopfen auf einen Sitz, als sie mit wehenden Fahnen hereinstürmt. »Komm schon! Komm! Du kommst ja soo spät. Wir sollen inzwischen bei der Arbeit sein.«
»Tut mir leid, bin beim Rausgehen ein bisschen aufgehalten worden.«
Sie werfen sich einen Blick zu, und sie sieht ihnen an, dass sie vermuten, sie sei mit John zusammen gewesen. Sie beschließt, ihnen nicht zu sagen, dass sie eigentlich auf die Post gewartet hat. Sie wollte sehen, ob er ihr etwas geschickt hat. Jetzt kommt sie sich albern vor, ihre Freundinnen zwanzig Minuten versetzt zu haben.
»Wie fühlt es sich denn an, so uralt zu sein?« Nicky hat sich die Haare geschnitten. Sie sind noch immer blond, jetzt aber kurz und strubbelig. Sie sieht engelsgleich aus. »Ich hab dir eine fettarme Latte bestellt. Ich gehe davon aus, dass du ab jetzt auf dein Gewicht achten musst.«
»Zweiunddreißig ist ja wohl nicht uralt. Wenigstens rede ich mir das ein.«
»Ich habe Angst davor«, sagt Corinne. »Irgendwie klingt einunddreißig so, als wäre man knapp über dreißig, technisch gesehen fast noch in den Zwanzigern. Zweiunddreißig klingt unheimlich nah an fünfunddreißig.«
»Und fünfunddreißig ist offensichtlich knapp vor vierzig.« Nicky prüft ihre Frisur im Spiegel hinter der Bank.
»Und dir auch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagt Ellie.
»Ach! Wir lieben dich auch noch, wenn du schrumpelig und allein bist und in fleischfarbenen, weiten Hosen herumläufst.« Sie stellen zwei Tüten auf den Tisch. »Hier sind deine Geschenke. Und nein, du kannst beide nicht umtauschen.«
Sie haben perfekt gewählt, wie nur langjährige Freundinnen es können. Corinne hat
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