Eine Handvoll Worte
abwischt.
»Ich glaube schon. Bin mir allerdings nicht sicher, wie viel Zeit ich haben werde, das zu genießen. Die neue Chefin ist arbeitssüchtig. Ich hatte gehofft, danach eine Woche Urlaub nehmen zu können, aber sie sagt, sie kann mich nicht entbehren.«
»Wie ist sie so?«
»Oh, ganz in Ordnung, sie hat nicht die Hosen an oder so. Aber sie macht richtig Überstunden und versteht nicht, warum wir anderen es nicht auch so halten sollten. Ich wünschte, wir hätten den alten Richard wieder. Ich mochte unsere ausgedehnten Mittagszeiten am Freitag.«
»Ich kenne niemanden, der jetzt noch eine richtige Mittagspause hat.«
»Bis auf euch Schreiberlinge. Ich dachte, es wäre eine feuchtfröhliche Angelegenheit mit Kontakten.«
»Hah. Nicht mit meiner Chefin auf den Fersen.« Sie berichtet über ihre Begegnung am Morgen, und Nicky verdreht mitleidig die Augen.
»Sei bloß vorsichtig«, sagt sie. »Das klingt, als hätte sie dich auf dem Kieker. Ist der kommende Artikel denn okay? Kannst du sie dir damit vom Hals halten?«
»Ich weiß nicht, ob überhaupt etwas daraus wird. Und ich habe so ein komisches Gefühl, wenn ich von dem Stoff etwas verwende.« Sie reibt ihren Fuß. »Die Briefe sind wunderschön. Und richtig eindringlich. Hätte mir jemand so einen Brief geschrieben, würde ich den nicht an die Öffentlichkeit zerren lassen.«
Sie hört Rorys Stimme, als sie das sagt, und stellt fest, dass sie nicht mehr genau weiß, was sie denkt. Sie war nicht darauf vorbereitet, wie sehr ihm der Gedanke missfiel, die Briefe zu veröffentlichen. Sie ist davon ausgegangen, dass alle bei der Nation die gleiche Einstellung haben. Zuerst die Zeitung. Alte Schule.
»Ich hätte es aufbauschen und an die große Glocke hängen wollen. Ich kenne niemanden, der noch Liebesbriefe bekommt«, sagt Nicky. »Meine Schwester, als ihr Verlobter in den Neunzigerjahren nach Hongkong zog, mindestens zwei pro Woche. Sie hat sie mir einmal gezeigt.« Nicky schnaubt. »Stell dir vor, in den meisten ging es darum, wie sehr er ihr Hinterteil vermisst.«
Sie hören auf zu lachen, als eine Frau in die Sauna kommt. Sie tauschen ein höfliches Lächeln, die Frau nimmt auf der höchsten Bank Platz und breitet ihr Handtuch sorgfältig unter sich aus.
»Oh, letztes Wochenende habe ich Doug getroffen.«
»Wie geht es ihm? Hat er Lena schon geschwängert?«
»Eigentlich hat er sich nach dir erkundigt. Er macht sich Sorgen, er könnte dich verstimmt haben. Hat gesagt, ihr hättet einen Wortwechsel gehabt.«
Schweiß ist Ellie in die Augen gelaufen, und die Reste ihrer Wimperntusche stechen. »Oh, das geht in Ordnung. Er hat nur …« Sie wirft einen kurzen Blick auf die Frau über ihnen. »Er lebt in einer anderen Welt.«
»Eine, in der niemand jemals eine Affäre hat.«
»Er klang ein wenig … voreingenommen. Wir waren nicht einer Meinung, was Johns Frau betrifft.«
»Was ist mit ihr?«
Verlegen rutscht Ellie hin und her.
»Machen Sie sich nichts aus mir«, kommt die Stimme der Frau von oben. »Alles, was hier mitgehört wird, ist tabu.« Sie lacht, und sie lächeln folgsam zurück.
Ellie senkt die Stimme. »Inwieweit ich ihre Gefühle in Betracht ziehen soll.«
»Ich denke doch, das ist Johns Job.«
»Ja. Aber du kennst Doug. Der Netteste Mann Der Welt.« Ellie streicht sich die Haare aus dem Gesicht. »Er hat recht, Nicky, aber ich kenne sie doch gar nicht. Sie ist nicht wie eine reale Person. Warum also sollte es mich kümmern, was mit ihr passiert? Sie hat das eine, das ich wirklich und wahrhaftig haben will, das eine, das mich glücklich machen würde. So sehr kann sie ihn doch nicht lieben, wenn ihr gleichgültig ist, was er braucht und will, oder? Ich meine, wenn die beiden so glücklich sind, wäre er nicht mit mir zusammen.«
Nicky schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung. Als meine Schwester das Kind bekam, konnte sie ein halbes Jahr nicht geradeaus schauen.«
»Sein Jüngstes ist fast zwei.« Sie spürt förmlich, wie Nicky höhnisch mit den Schultern zuckt. Das war die dauerhafte Kehrseite von guten Freundinnen. Sie ließen nie locker.
»Du weißt doch, Ellie«, sagt Nicky, legt sich zurück auf die Bank und verschränkt die Hände hinter dem Kopf, »moralisch wäre mir beides egal, aber du siehst nicht glücklich aus.«
Die Abwehrhaltung. »Ich bin glücklich.«
Nicky zieht eine Augenbraue hoch.
»Na schön. Ich bin glücklicher und unglücklicher, als ich je mit jemandem war, wenn das einen Sinn ergibt.«
Im Gegensatz zu
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