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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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nur dazu da, um nach eurer Pfeife zu tanzen.«
    Er lächelt und hat es nicht boshaft gemeint, aber sie weiß, dass in seinen Worten ein unerfreuliches Körnchen Wahrheit steckt. »Demnach bin ich ein selbstsüchtiger, gleichgültiger Schmierfink, blind gegenüber den Bedürfnissen der wahren Arbeiter und gemein zu anständigen alten Männern mit Arbeitsmoral«, sinniert sie.
    »So ungefähr.« Dann sieht er sie direkt an, und sein Ausdruck verändert sich. »Was wirst du tun, um dich reinzuwaschen?«
    Ihr fällt es erstaunlich schwer, ihm in die Augen zu schauen. Sie legt sich gerade eine Antwort zurecht, als sie ihr Handy hört. »Entschuldigung«, murmelt sie und kramt in ihrer Handtasche. Sie klickt das kleine Umschlagsymbol an.
    Wollte nur Hi sagen. Morgen in den Urlaub, melde mich, wenn zurück, machs gut, J x
    Sie ist enttäuscht. »Hi sagen« nach den geflüsterten Vertraulichkeiten am Abend zuvor? Das ungehemmte Zusammenkommen? Er will »Hi sagen«?
    Sie liest die Nachricht noch einmal. Er gibt nie viel über Handy von sich, das weiß sie. Er hat ihr zu Beginn gesagt, es sei zu riskant, falls seine Frau es zufällig in die Hand nimmt, bevor er eine verfängliche Botschaft löschen kann. Und »mach’s gut« hat doch etwas Herziges, oder? Er will, dass es ihr gut geht. Sie fragt sich allerdings, noch während sie innerlich zur Ruhe kommt, wie weit sie diese Nachrichten streckt und in den spärlichen Worten, die er ihr schickt, ein ganzes Hinterland entdeckt. Sie glaubt, sie seien so miteinander verbunden, dass es in Ordnung ist, sie versteht, was er eigentlich sagen will. Gelegentlich aber, so wie an diesem Tag, bezweifelt sie, dass wirklich etwas hinter dem Stenogramm steckt.
    Wie soll sie darauf antworten? Sie kann ihm kaum einen »schönen Urlaub« wünschen, wenn sie ihm eigentlich eine furchtbare Zeit wünscht, dass seine Frau eine Lebensmittelvergiftung bekommt, seine Kinder unablässig nörgeln und das Wetter spektakulär versagt und sie alle griesgrämig nach drinnen verbannt. Sie möchte, dass er dort sitzt und sich nach ihr sehnt, nach ihr sehnt, nach ihr sehnt …
    Mach du es auch gut x
    Als sie aufschaut, ist Rorys Blick auf die Umzugswagen draußen gerichtet, als wäre er nicht daran interessiert, was in ihr vorgeht.
    »Entschuldigung«, sagte sie und steckt ihr Handy wieder in die Tasche. »Jobkram.« Warum sagt sie ihm nicht die Wahrheit? Er könnte ein Freund sind, ist schon ein Freund: Warum erzählt sie ihm nichts von John?
    »Wieso glaubst du, dass niemand mehr solche Liebesbriefe schreibt?«, fragt sie ihn stattdessen und zieht einen aus der Tasche. »Es gibt zwar durchaus SMS und E-Mails und solche Sachen, aber niemand schickt die in so einer Sprache, oder? Niemand schreibt es mehr so aus wie unser unbekannter Liebhaber.«
    Der Umzugswagen ist abgefahren. Die Front des Zeitungsgebäudes ist frei und leer, der Eingang unter den Gaslaternen ein dunkler Rachen, die restliche Belegschaft tief im Innern damit beschäftigt, letzte Änderungen an der Titelseite vorzunehmen.
    »Vielleicht doch«, sagt er, und sein Gesicht hat die flüchtige Weichheit verloren. »Kann aber auch sein, dass man als Mann unmöglich weiß, was man sagen soll.«
    Das Fitnessstudio im Swiss Cottage liegt überhaupt nicht mehr in der Nähe ihrer Wohnungen, die Ausrüstung ist regelmäßig kaputt, und die Empfangsdame ist derart pampig, dass sie sich fragen, ob sie dort von der Konkurrenz hingesetzt wurde, aber weder sie noch Nicky wollen sich mit dem unendlichen Verfahren abgeben, ihre Mitgliedschaft zu kündigen und sich etwas Neues zu suchen. Sie treffen sich dort einmal in der Woche. Vor Jahren keuchten sie nebeneinander auf Hometrainern oder unterwarfen sich der Pflege mitleidiger, zwanzigjähriger Personal Trainer. Jetzt, nach ein paar halbherzigen Runden im kleinen Schwimmbecken sitzen sie vierzig Minuten im Whirlpool oder in der Sauna und unterhalten sich, nachdem sie sich eingeredet haben, das sei »gut für die Haut«.
    Nicky kommt spät: Sie bereitet sich auf eine Konferenz in Südafrika vor und ist aufgehalten worden. Keine der beiden Freundinnen gibt einen Kommentar zur Verspätung der anderen ab: Sie sind sich einig, dass es vorkommen kann, dass jede durch die Karriere verursachte Unannehmlichkeit über alle Kritik erhaben ist. Im Übrigen hat Ellie nie ganz verstanden, was Nicky macht.
    »Wird es da heiß sein?« Sie rückt ihr Handtuch auf der warmen Saunabank gerade, während Nicky sich die Augen

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