Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
Frau, die er liebte, geöffnet hat; er versuchte, sie zu verstehen und zu beschützen, auch vor sich selbst. Als er sie nicht haben konnte, entfernte er sich bis ans andere Ende der Welt und opferte sich sehr wahrscheinlich. Und sie hat vierzig Jahre um ihn getrauert. Was hatte Ellie? Tollen Sex, vielleicht ein Mal alle zehn Tage, und eine Menge unverbindlicher E-Mails. Sie ist zweiunddreißig Jahre alt, ihre Karriere geht den Bach herunter, ihre Freundinnen wissen, dass sie emotional nur verlieren kann, und jeden Tag fällt es ihr schwerer, sich einzureden, dass dies ein Leben ist, das sie sich selbst ausgesucht hat.
    Es ist Viertel nach neun. Sie weiß, sie sollte nichts mehr trinken, aber sie ist wütend, schwermütig, nihilistisch. Sie schenkt sich noch ein Glas ein, weint und liest den letzten Brief noch einmal. Wie Jennifer hat sie jetzt das Gefühl, die Wörter auswendig zu können. Sie haben einen schrecklichen Nachhall.
    Ohne dich zu sein – Tausende Meilen von dir entfernt – verschafft mir keine Erleichterung. Die Tatsache, dass ich nicht mehr durch deine Nähe gefoltert werde oder vor dem tagtäglichen Beweis stehe, das Einzige, was ich wirklich will, nicht haben zu können, hat mich nicht geheilt. Es hat alles nur noch schlimmer gemacht. Meine Zukunft kommt mir vor wie eine öde, leere Straße.
    Sie selbst hat sich schon fast in diesen Mann verliebt. Sie stellt sich John vor, hört die Worte aus seinem Mund, und der Alkohol lässt die beiden ineinander verschwimmen. Wie hebt man das eigene Leben aus dem Weltlichen in etwas Episches? Bestimmt sollte man doch mutig genug sein, zu lieben? Sie zieht ihr Handy aus der Tasche, wobei ihr etwas Dunkles, Verwegenes unter die Haut kriecht. Sie klappt das Handy auf und schickt mit unbeholfenen Fingern eine Textnachricht.
    Ruf bitte an. Nur ein Mal. Muss von dir hören. x
    Sie drückt auf »senden« und weiß bereits, welchen kolossalen Fehler sie gemacht hat. Er wird verärgert sein. Oder er wird nicht antworten. Sie weiß nicht genau, welches die schlimmere Variante ist. Ellie lässt den Kopf in die Hände sinken und weint um den unbekannten Boot, um Jennifer, um verpasste Chancen und ein vergeudetes Leben. Sie weint um sich selbst, weil niemand sie jemals so lieben wird, wie Boot Jennifer liebte, und weil sie vermutet, dass sie ein Leben verdirbt, das so schön, wenn auch normal hätte sein können. Sie weint, weil sie betrunken und allein in ihrer Wohnung ist. Allein zu leben hat unter anderem den einen Vorzug, dass man jederzeit ungehindert schluchzen kann.
    Sie fährt zusammen, als sie den Türsummer hört, hebt den Kopf und bleibt reglos sitzen, bis es wieder brummt. Einen kurzen, verrückten Moment lang fragt sie sich, ob es John ist, als Reaktion auf ihre SMS. Plötzlich aufgeschreckt, eilt sie zum Spiegel im Flur, wischt wie verrückt über die roten Flecken im Gesicht und greift zum Hörer der Gegensprechanlage. »Hallo?«
    »Okay, Klugscheißerin. Wie schreibt man ›uneingeladener Zufallsbesuch‹?«
    Sie blinzelt. »Rory.«
    »Nein, so nicht.«
    Sie beißt sich auf die Lippe und lehnt sich an die Wand. Kurzes Schweigen tritt ein.
    »Hast du zu tun? Ich bin nur gerade vorbeigekommen.« Er klingt fröhlich, ausgelassen. »Okay … Ich war in der richtigen U-Bahnlinie.«
    »Komm rauf.« Sie legt den Hörer auf und spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht in dem Versuch, nicht allzu enttäuscht zu sein, denn dass es John nicht sein konnte, war klar.
    Sie hört, wie er zwei Stufen auf einmal nimmt und gegen die Tür drückt, die sie angelehnt hat.
    »Ich bin hier, um dich zu einem Drink abzuschleppen. Oh!« Er beäugt die leere Weinflasche und dann, etwas länger, ihr Gesicht. »Aha. Zu spät.«
    Ihr gelingt ein wenig überzeugendes Lächeln. »War kein toller Abend.«
    »Ah.«
    »Ist schon in Ordnung, wenn du gehen willst.« Er trägt einen grauen Schal. Sieht nach Kaschmir aus. Sie hat nie einen Kaschmirpullover besessen. Wie hatte sie zweiunddreißig werden und noch nie einen Kaschmirpullover besitzen können? »Eigentlich bin ich gerade keine gute Gesellschaft.«
    Er wirft noch einen Blick auf die Weinflasche. »Na ja, Haworth«, sagt er und wickelt sich den Schal vom Hals, »das hat mich noch nie abgehalten. Wie wär’s, wenn ich den Kessel aufsetze?«
    Er macht Tee und fuhrwerkt in ihrer kleinen Küche herum auf der Suche nach Teebeuteln, Milch, Löffeln. Sie denkt an John, der gerade noch vor einer Woche dasselbe gemacht hat, und wieder steigen ihr

Weitere Kostenlose Bücher