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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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so müde, dass die Namen in alphabetischer Reihenfolge verschwammen. Harper. Hambro. O’Keefwe. Lewis. Sein Name war nicht dabei.
    Er stand nicht darauf.
    Sie schaute zu Forbisher auf. »Haben Sie die Namen der Geiseln?«
    »Mrs Stirling, wir haben keine Ahnung, wie viele englische Staatsbürger überhaupt in der Stadt waren. Schauen Sie.« Er holte noch ein Blatt Papier hervor und reichte es ihr, wobei er mit der freien Hand nach einem Moskito schlug, der auf seinem Nacken gelandet war. »Das ist das neueste Communiqué, das an Lord Walston geschickt wurde.«
    Sie begann zu lesen, und die Sätze sprangen sie förmlich an:
    Fünftausend Tote allein in Stanleyville … Wir glauben, dass auf dem von Rebellen gehaltenen Gebiet noch siebenundzwanzig britische Staatsbürger verbleiben … Wir können keine Angaben darüber machen, wann die Gebiete erreicht werden, in denen sich Briten aufhalten, wir wissen nicht einmal, wo das ist.
    »Belgische und US-Truppen sind in der Stadt. Sie erobern Stanleyville zurück. Und eine Beverley-Maschine steht bereit, um alle zu retten, die sich retten lassen wollen.«
    »Wie kann ich mich vergewissern, dass er darin ist?«
    Er kratzte sich am Kopf. »Das geht nicht. Manche Menschen wollen anscheinend nicht gerettet werden. Manche ziehen es vor, im Kongo zu bleiben. Sie haben vielleicht ihre Gründe.«
    Plötzlich fiel ihr der fette Nachrichtenredakteur ein. Wer weiß? Vielleicht wollte er ja von hier weg.
    »Wenn Ihr Freund rauswill, dann kommt er auch raus«, sagte er. Er wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht. »Wenn er bleiben will, kann es durchaus sein, dass er verschwindet – das geht im Kongo leicht.«
    Sie wollte schon etwas sagen, wurde aber durch leises Raunen unterbrochen, das sich durch den Flughafen zog, als eine Familie durch die Ankunftstür trat. Zunächst kamen zwei kleine Kinder, stumm, Arme und Kopf bandagiert, ihre Gesichter vorzeitig gereift. Eine blonde Frau, die ein Kleinkind an sich drückte, blickte wild um sich, ihre Haare waren ungewaschen, Anstrengung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Bei ihrem Anblick riss sich eine viel ältere Frau von ihrem Mann los, der sie zurückhalten wollte, durchbrach die Barriere und zog die Frau aufschluchzend an sich. Die Familie rührte sich kaum. Dann sank die junge Mutter auf die Knie, begann zu weinen, den Mund schmerzhaft verzogen, und ließ den Kopf an die Schulter der alten Frau sinken.
    Frobisher stopfte seine Papiere wieder in den Ordner. »Die Ramseys. Entschuldigen Sie mich. Ich muss mich um sie kümmern.«
    »Waren sie dort?«, fragte sie und beobachtete, wie der Großvater sich das kleine Mädchen auf die Schultern hob. »Bei dem Massaker?« Die Gesichter der Kinder, erstarrt nach einem unbekannten Schock, hatten ihr Blut in Eiswasser verwandelt.
    Frobisher sah sie fest an. »Mrs Stirling, bitte, Sie müssen jetzt gehen. Heute Abend geht noch ein Flug der East African Airways. Falls sie keine engen Freunde in dieser Stadt haben, kann ich Ihnen nur dringend dazu raten, ihn zu nehmen.«
    * * *
    Zwei Tage brauchte sie, um wieder nach Hause zu kommen. Von diesem Zeitpunkt an begann ihr neues Leben. Yvonne hielt sich an ihr Wort. Sie nahm keinen Kontakt mehr zu ihr auf, und als Jennifer bei einer Gelegenheit zufällig Violet über den Weg lief, war dieser so offenkundig unwohl zumute, dass es unfair schien, sie zu verfolgen. Ihr machte es weniger aus, als sie erwartet hatte: Sie gehörten zu einem alten Leben, das sie kaum noch als ihr eigenes erkannte.
    An den meisten Tagen kam Mrs Cordoza in die neue Wohnung, fand Ausreden, um Zeit mit Esmé verbringen zu können, oder im Haushalt auszuhelfen, und Jennifer stellte fest, dass sie sich mehr auf die Gesellschaft ihrer früheren Haushälterin verließ als auf die ihrer alten Freundinnen. An einem verregneten Nachmittag, während Esmé schlief, erzählte sie Mrs Cordoza von Anthony, und Mrs Cordoza offenbarte ein wenig mehr über ihren Mann. Dann sprach sie errötend von einem netten Mann, der ihr Blumen aus dem Laden zwei Straßen weiter geschickt habe. »Ich wollte ihn nicht ermutigen«, sagte sie leise beim Bügeln, »aber seitdem alles …«
    Laurence ließ ihr Notizen zukommen und benutzte Mrs Cordoza als Botin.
    Ich würde Esmé gern am kommenden Samstag mit zur Hochzeit meiner Cousine in Winchester nehmen. Ich werde dafür sorgen, dass sie um 19 Uhr zurück ist.
    Sie waren distanziert, förmlich, verhalten. Hin und wieder las Jennifer sie und wunderte

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