Eine Handvoll Worte
Harvey Nichols. Unterdessen genieße deine Unschuld, solange sie anhält.«
»Vermutlich hast du recht.«
»Und da wir gerade dabei sind, ich finde, du solltest das rosafarbene Teil tragen. Du hast eine Kette aus Bergkristall, die fabelhaft dazu passt. Der Smaragd tut dir keinen Gefallen. Damit sieht dein Busen aus wie zwei Ballons, aus denen die Luft raus ist.«
»Oh, du bist mir eine wahre Freundin!«, sagte Jennifer, und die beiden lachten.
Die Tür war zugeschlagen, er hatte seine Aktentasche auf den Tisch in der Diele fallen lassen und brachte auf seinem Mantel und seiner Haut die kühle Luft von draußen mit herein. Er zog seinen Schal ab, küsste Yvonne und entschuldigte sich für seine Verspätung. »Besprechung mit der Buchhaltung. Du weißt, dass diese Geldleute kein Ende finden.«
»Oh, du solltest sehen, wenn sie zusammenkommen, Larry. Das langweilt mich zu Tode. Wir sind seit fünf Jahren verheiratet, und ich könnte dir noch immer nicht den Unterschied zwischen Soll und Haben erklären.« Yvonne schaute auf ihre Uhr. »Er dürfte gleich hier sein. Zweifellos mit einer nicht zu übersehenden Zahlenkolonne, über der er seinen Zauberstab schwingt.«
Er wandte sich seiner Frau zu. »Du siehst hinreißend aus, Jenny.«
»Nicht wahr? Deine Frau putzt sich immer ziemlich gut raus.«
»Ja. Ja, wirklich. Na gut.« Er fuhr sich mit der Hand über die Kinnpartie. »Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt, ich mache mich eben ein bisschen frisch, bevor unsere anderen Gäste eintreffen. Es wird wieder schneien – ich habe den Wetterbericht im Radio gehört.«
»Wir trinken einen Schluck, während wir auf dich warten«, rief Yvonne ihm hinterher.
Als die Tür zum zweiten Mal aufging, waren Jennifers Nerven inzwischen von gehaltvollen Cocktails gedämpft. Alles wird gut, sagte sie sich immer wieder. Yvonne würde ihr Stichworte geben, wenn sie im Begriff war, sich zu blamieren. Das waren ihre Freunde. Sie würden nicht darauf harren, dass sie ins Straucheln geriet. Ein weiterer Schritt, ihr früheres Selbst wiederzuerlangen.
»Jenny. Vielen Dank für die Einladung.« Violet Fairclough umarmte sie, ihr fülliges Gesicht verschwand fast unter einem Turban. Sie löste die Nadeln, mit denen er befestigt war, und überreichte ihn zusammen mit ihrem Mantel. Sie trug ein Seidenkleid mit u-förmigem Ausschnitt, das sich wie ein aufgeblähter Fallschirm über ihre üppigen Konturen spannte. Um Violets Taille zu umfassen, so würde Yvonne später anmerken, wären die Hände eines kleinen Infanteriecorps erforderlich.
»Jennifer. Ein Bild der Anmut, wie immer.« Ein großer, rothaariger Mann beugte sich vor, um sie zu küssen.
Jennifer war verwundert über dieses ungleiche Paar. Sie erinnerte sich überhaupt nicht an den Mann und fand es beinahe lustig, dass er mit der kleinen Violet verheiratet sein sollte. »Kommt doch rein«, sagte sie, riss den Blick von ihm los und fing sich wieder. »Mein Mann wird gleich unten sein. Ich hole euch inzwischen etwas zu trinken.«
»›Mein Mann‹, wie das? Sind wir heute Abend schrecklich formal?« Bill lachte.
»Na ja …« Jennifer war unsicher, »… da es so lange her ist, seit ich euch alle gesehen habe …«
»Scheusal. Du musst nett zu Jenny sein.« Yvonne gab ihm einen Kuss. »Sie ist noch immer sehr zerbrechlich. Sie sollte sich oben verzehrend zurücklehnen, während wir jeweils einen Mann aussuchen, der ihr eine Traube schält. Aber sie bestand auf Martinis.«
» Das ist die Jenny, die wir kennen und lieben.« Bills anerkennendes Lächeln ruhte so lange auf ihr, dass Jennifer zwei Mal zu Violet blickte, ob sie gekränkt war. Ihr schien es nichts auszumachen: Sie kramte in ihrer Handtasche. »Ich habe der neuen Kinderfrau eure Telefonnummer gegeben«, sagte sie und schaute auf. »Ich hoffe, das stört dich nicht. Diese Frau ist absolut nicht zu gebrauchen. Ich rechne fest damit, dass sie hier anruft, um zu sagen, sie könne Fredericks Schlafanzughose nicht finden oder so.«
Jennifer ertappte Bill dabei, dass er die Augen verdrehte, und merkte bestürzt, dass ihr diese Geste vertraut war.
Sie saßen zu acht um den Tisch, ihr Mann und Francis jeweils vor Kopf. Yvonne, Dominic, der ein ziemlich hohes Tier in der königlichen Leibgarde war, und Jennifer saßen an der Fensterseite, Violet, Bill und Anne, Dominics Frau, ihnen gegenüber. Anne war fröhlich, lachte mit gutmütigem Augenzwinkern lauthals über die Witze der Männer – eine Frau, die sich in
Weitere Kostenlose Bücher