Eine Handvoll Worte
seit Tagen, Frühjahrsputz mitten im Winter, die anderen Räume mit Hilfe von Mrs Cordoza. Sie hatte Regale und Schränke ausgeräumt, alles überprüft, wieder eingeräumt und mit einer furchterregenden Tüchtigkeit Ordnung geschaffen, hatte sich ihren Habseligkeiten aufgestempelt, ihre Art, etwas zu tun, einem Haus aufgeprägt, das sich nicht wie ihr eigenes anfühlen wollte.
Begonnen hatte es als Ablenkung, um nicht allzu sehr an ihr Befinden zu denken: dass sie eine Rolle spielte, die ihr offensichtlich alle zugeteilt hatten. Jetzt war es eine Möglichkeit, sich in diesem Zuhause zu verankern, herauszufinden, wer sie war, wer sie gewesen war. Sie hatte Briefe entdeckt, Fotos, Sammelalben aus ihrer Kindheit, die ihr ein mürrisches Kind mit Pferdeschwanz auf einem dicken weißen Pony zeigten. Sie entzifferte das sorgfältige Gekritzel ihrer Schulzeit, die oberflächlichen Scherze in ihrem Briefwechsel und erkannte erleichtert, dass sie sich an ganze Einheiten erinnern konnte. Sie hatte begonnen, die Lücke zwischen dem, was sie gewesen war – ein lebhaftes, geliebtes, vielleicht sogar verwöhntes Geschöpf –, und der Frau, die ihr jetzt innewohnte, zu berechnen.
Sie wusste fast alles über sich, so weit es möglich war, doch das allgegenwärtige Gefühl eines Umbruchs blieb bestehen, das Empfinden, in das falsche Leben geworfen zu sein.
»Oh, Schätzchen, das kommt allen so vor.« Yvonne hatte ihr mitfühlend auf die Schulter geklopft, als Jennifer am Abend zuvor nach zwei Martinis das Thema angeschnitten hatte. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich aufgewacht bin und diese Lieblichkeit in Reinkultur vor mir sah, die mein schnarchender, stinkender, verkaterter Mann ist, und dachte, wie um alles in der Welt bin ich hier nur gelandet?«
Jennifer hatte versucht zu lachen. Niemand wollte ihr Geschwafel hören. Sie hatte keine andere Wahl, als sich damit abzufinden. Am Tag nach der Dinnerparty war sie, verängstigt und aufgebracht, allein ins Krankenhaus gefahren und hatte um ein Gespräch mit Mr Hargreaves gebeten. Er hatte sie sofort in sein Büro geführt – weniger ein Zeichen des Pflichtgefühls, vermutete sie, als vielmehr professionelle Höflichkeit gegenüber der Ehefrau eines ausgesprochen wohlhabenden Kunden. Seine Antwort war zwar weniger flapsig als Yvonnes, hatte ihr aber im Wesentlichen dasselbe vermittelt. »Ein Schlag auf den Kopf kann Sie auf alle möglichen Arten beeinträchtigen«, sagte er und drückte seine Zigarette aus. »Manche Menschen haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, andere brechen zu unpassenden Gelegenheiten in Tränen aus oder stellen fest, dass sie über lange Zeit wütend sind. Ich hatte Herren als Patienten, die ungewöhnlich brutal wurden. Depression ist keine unübliche Reaktion auf das, was Sie durchgemacht haben.«
»Es ist aber mehr als das, Mr Hargreaves. Ich dachte wirklich, ich würde mich inzwischen wieder mehr … wie ich selbst fühlen.«
»Und das ist nicht so?«
»Alles erscheint mir falsch. Deplatziert.« Sie lachte kurz und unsicher auf. »Manchmal habe ich gedacht, ich würde verrückt.«
Er nickte, als hätte er das schon oft gehört. »Die Zeit heilt wirklich, Jennifer. Ich weiß, das ist ein schreckliches Klischee, aber es trifft zu. Grübeln Sie nicht darüber nach, sich einer richtigen Gefühlsweise anzupassen. Kann sein, dass Sie sich eine Zeit lang eigenartig fühlen – fehl am Platz, wie Sie es ausdrücken. Unterdessen werde ich Ihnen Tabletten verschreiben, die helfen. Versuchen Sie einfach, sich nicht so viele Gedanken zu machen.«
Er kritzelte bereits. Sie wartete einen Augenblick, nahm das Rezept entgegen und stand auf. Versuchen Sie einfach, sich nicht so viele Gedanken zu machen.
Eine Stunde nachdem sie wieder zu Hause war, hatte sie begonnen, das Haus auszusortieren. Sie besaß ein Ankleidezimmer voller Kleidung. Sie hatte eine Schmuckschachtel aus Walnussholz, die vier gute Ringe mit Edelsteinen enthielt, und eine zweite Schachtel, in der eine Menge Modeschmuck steckte. Ihr gehörten zwölf Hüte, neun Paar Handschuhe und achtzehn Paar Schuhe, stellte sie fest, als sie die letzte Schachtel auf den Stapel stellte. Sie hatte alles beschriftet – niedrige Absätze, weinrot, und Abend, grüne Seide . Sie hatte jeden einzelnen Schuh in die Hand genommen und versucht, eine Erinnerung an einen früheren Anlass daraus abzuleiten. Zwei Mal war ihr ein flüchtiges Bild gekommen: Ihre Füße, in grüne Seide gekleidet, stiegen aus
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