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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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der Weihnachtsfeier von Acme Mineral and Mining anscheinend unterschätzt. Vielleicht hatte es an der Dekoration gelegen, oder an den reichlich vorhandenen Speisen und Getränken, oder auch an der längeren Abwesenheit des Chefs, doch als sie eintrafen, war die Party im Büro in vollem Gang. Jemand hatte ein tragbares Grammophon mitgebracht, das Licht war gedämpft, und die Schreibtische waren beiseitegeschoben worden, um eine Tanzfläche zu schaffen, auf der schon jede Menge Leute zu den Klängen von Connie Francis kreischend Shimmy tanzten.
    »Larry! Du hast uns ja nie gesagt, dass deine Angestellten so hippe Kätzchen sind!«, rief Reggie begeistert aus.
    Jennifer ließ ihn an der Tür stehen, um die Szene zu betrachten, während sie sich in das Gedränge der Tanzenden schob. Seine Gefühle standen ihm ins Gesicht geschrieben: Seinen Arbeitsplatz, sein Reich, seine Zuflucht erkannte er nicht wieder, seine Belegschaft war seiner Kontrolle entzogen, und er verabscheute das Ganze. Sie sah, wie seine Sekretärin sich von ihrem Stuhl erhob, auf dem sie womöglich den ganzen Abend gesessen hatte, und etwas zu ihm sagte. Er nickte und versuchte zu lächeln.
    »Drinks!«, rief Jennifer, die so weit wie möglich von ihm fortkommen wollte. »Kämpf dich durch, Reggie! Wir wollen uns besaufen!«
    Vage wurde sie sich einiger überraschter Blicke bewusst, als sie an der Belegschaft ihres Mannes vorbeiging. Viele hatten ihre Krawatten gelockert, die Gesichter von Alkohol und Tanz gerötet. Sie schauten von ihr zu Laurence hinüber.
    »Hallo, Mrs Stirling.«
    Sie erkannte den Buchhalter, der zwei Wochen zuvor im Büro mit ihr gesprochen hatte, und schenkte ihm ein Lächeln. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und er hatte den Arm um ein kicherndes Mädchen mit Partyhut gelegt. »Ah, hallo! Können Sie uns bitte zeigen, wo die Getränke sind?«
    »Da drüben. Am Schreibzimmer.«
    Ein großer Bottich Punsch war aufgestellt worden. Pappbecher wurden gefüllt und über die Köpfe hinweggereicht. Reggie gab ihr einen, den sie in einem Zug leer trank, und sie lachte, als die unerwartete Stärke sie zum Husten und Spucken brachte. Dann tanzte sie, verloren in einem Meer von Körpern, nahm vage Reggies Lächeln wahr, dessen Hand hin und wieder ihre Taille berührte. Sie sah Laurence, wie er sie teilnahmslos von der Wand aus beobachtete und sich dann zögerlich in ein Gespräch mit einem der älteren, nüchterneren Männer hineinziehen ließ. Sie wollte nicht in seiner Nähe sein. Sie wünschte, er würde nach Hause gehen und sie hier weitertanzen lassen. Maureen sah sie nicht mehr. Womöglich war die junge Frau gegangen. Alles verschwamm vor ihren Augen, die Zeit zog sich in die Länge, wurde elastisch. Sie hatte ihren Spaß. Ihr war warm, sie hob die Arme über den Kopf, ließ sich von der Musik treiben, ignorierte die Neugier der anderen Frauen. Reggie wirbelte sie herum, und sie lachte ausgelassen. Herrgott, aber sie lebte! Hier gehörte sie hin. Zum ersten Mal hatte sie sich nicht fremd gefühlt in einer Welt, von der alle hartnäckig behaupteten, es sei ihre.
    Reggie berührte ihre Hand, und es war wie ein Stromschlag. Seine Blicke waren vielsagend, sein Lächeln wissend. Bär. Er gab ihr mit Lippenbewegungen etwas zu verstehen.
    »Was?« Sie schob sich eine verschwitzte Locke aus dem Gesicht.
    »Es ist heiß. Ich brauche noch etwas zu trinken.«
    Ihr war, als ginge von seiner Hand an ihrer Taille radioaktive Strahlung aus. Sie ging dicht hinter ihm her, verdeckt durch die Körper ringsum. Als sie einen Blick hinter sich warf, um nach Laurence zu sehen, war er verschwunden. Wahrscheinlich in sein Büro, dachte sie. Da drinnen brannte Licht. Laurence würde das alles widerwärtig finden. Ihr Ehemann verabscheute Spaß jeglicher Art. Manchmal hatte sie sich in den vergangenen Wochen gefragt, ob er sogar sie verabscheute.
    Reggie drückte ihr den nächsten Pappbecher in die Hand. »Luft«, rief er. »Ich brauche Luft.«
    Dann waren sie im Empfangsbereich, nur sie beide, wo es kühl und still war. Die Geräusche der Party ließen nach, als sich die Tür hinter ihnen schloss.
    »Hier«, sagte er und steuerte sie am Aufzug vorbei zu einem Notausgang. »Komm, wir gehen auf die Treppe hinaus.« Er fummelte an der Tür herum, dann waren sie in der kühlen Nachtluft, die Jennifer verschlang, als müsse sie großen Durst löschen. Unter ihnen sah sie die Straße, hin und wieder Bremslichter.
    »Ich bin pitschnass!« Er zog an seinem Hemd.

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