Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
ich bin kein geselliger Mensch.«
Es fiel ihr nicht schwer, das sofort zu glauben. Er hatte nicht Harrys fröhliche Natur und auch nicht seine gesellige Art.
Der leise Klangteppich aus Musik und Gelächter folgte ihnen und verstummte, als sie die riesige Eingangshalle durchquert hatten und eine elegant geschwungene Treppe ansteuerten. Julianne zögerte am unteren Ende der Stufen. Einen Moment lang blieb Michael neben ihr stehen und blickte sie fragend an.
Wenn sie ihren Fuß auf die unterste Stufe setzte, dann würde sie damit eingestehen, dass sie mit diesem Mann nach oben ging. Einem Mann, den sie kaum kannte.
Konnte sie das überhaupt?
Sie wusste es einfach nicht.
Trotzdem hob sie den Fuß und begann, die Treppe hochzusteigen.
Es würde ihn überraschen, wenn er nicht aschfahl wäre. Der Zeitpunkt war wirklich unglücklich gewählt. Michael musste sich eingestehen, dass er mit einer verunsicherten Braut und ihren jungfräulichen Ängsten zurechtkommen musste. Er hoffte, es war ihm möglich, ihr mit einem gewissen Maß an Geduld und Raffinesse zu begegnen. Obwohl sie sich für eine Frau ihres Alters beim Empfang wirklich erstaunlich gehalten hatte, war er von dem scheußlichen Gedränge etwas bestürzt gewesen. Dabei war er um Längen vertrauter im Umgang mit Veranstaltungen wie dieser. Die Anspannung war für einen aufmerksamen Beobachter wie ihn deutlich zu sehen – nicht nur, als sie die Glückwünsche der unzähligen Gäste entgegengenommen hatten, sondern auch später, als sie mit so ziemlich jedem Mann im Saal getanzt hatte – außer mit ihm.
Er hatte sie tatsächlich aufmerksam beobachtet. Das hatte ihn selbst überrascht.
Er hatte sich also einerseits mit ihr beschäftigt und andererseits stets an seine hässliche Wunde denken müssen, weshalb er das Fest nicht besonders hatte genießen können. Aber jetzt, da sie den Feierlichkeiten entkommen waren, konnte er seine junge Frau mit anderen Augen sehen.
Da er viel getanzt hatte, war er leicht verschwitzt. Weniger aufgrund der Anstrengung, sondern vielmehr wegen der Schmerzen seiner Wunde. Als Malcolm Sutton ihm vorhin bei den Gratulationen auf den Rücken geklopft hatte, war es ihm schwergefallen, keine Reaktion auf den Überschwang seines Schwagers zu zeigen. Er war ziemlich sicher, dass er unter den Stoffschichten und dem Verband wieder blutete.
Fitzhugh würde ihm vermutlich erklären, dass es ihm recht geschah, da er sich geweigert hatte, einen Arzt zu konsultieren. Im Moment sorgte er sich nur, wie er die nächsten Stunden überstehen sollte. Es wäre ganz angenehm, wenn er ein wenig schlafen könnte. Obwohl er ohne allzu viel Schlaf auskam, hatten seine Verletzung und die Anstrengungen der letzten Tage ihren Tribut gefordert. Er wollte eigentlich lieber in ein Bett fallen, um sofort einzuschlafen, statt ebenda zu versuchen, eine nervöse Jungfrau zu verführen.
Auch wenn er sich seiner Familie gegenüber verpflichtet gefühlt hatte, Julianne zu heiraten, musste er es jetzt doch auch durchziehen.
Unter normalen Umständen würde es ihm nicht so schwerfallen. Julianne war eine Schönheit, mit der jeder Mann gerne das Bett teilen würde. Aber er war verletzt, müde und mit der Frau vermählt, die ursprünglich für seinen Bruder vorgesehen gewesen war.
Neben ihm hob sich ihr Busen etwas rascher unter dem kostbaren Stoff ihres Kleids. Seine junge Frau versuchte krampfhaft, ihre Besorgnis vor ihm zu verbergen, doch das misslang. Ihre zarten Gesichtszüge waren von einem Hauch Röte überzogen, weshalb er unwillkürlich an eine sittsame Braut denken musste. Und sie zitterte leicht, als sie Seite an Seite das zweite Obergeschoss erreichten.
Ihre Zimmerflucht befand sich im Familienflügel am Ende des Flurs im zweiten Stock. Michael führte sie durch den Salon, der mit seidenbespannten Stühlen und üppigen türkischen Teppichen eingerichtet war. Sein eigener Beitrag war ein mit Schnitzereien verzierter Tisch, den er aus Spanien hatte herschicken lassen. Einst hatte dieser Tisch einem spanischen Don gehört, der behauptet hatte, er sei ein Geschenk der Königin Isabella an seine berühmte Familie. Es war ein schönes Stück, so viel stand fest, weshalb die Geschichte sogar durchaus einen gewissen Wahrheitsgehalt haben konnte. Aber selbst ohne diese königlich angehauchte Geschichte hätte Michael den Tisch gekauft, weil er ihn ästhetisch ansprach. Das Relief eines Sonnenaufgangs auf dem Tisch war so bedacht ausgeführt, dass man dieses Möbel
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