Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
nicht verstehen würde, drängte er diesen Impuls zurück.
Julianne leistete keinen Widerstand, als er sie quer durch den Raum führte. Ihre Kapitulation war für ihn eine Lektion in Urvertrauen. Er selbst vertraute nur so wenigen Menschen, dass er über sie staunen musste. Sie schritt anmutig neben ihm her und protestierte auch dann nicht, als er sich zu ihr beugte und ihren schlanken Körper hochhob, um sie auf das weiße Laken zu legen. Die Decken hatte der stets so praktisch denkende Fitzhugh bereits zurückgeschlagen.
Und wie sollte er seiner Braut nun den Verband um seinen Leib erklären? Ihr Vertrauen in ihn war wohl wirklich unangebracht, denn er hatte sich darauf eingestellt, etwaigen Fragen geschickt auszuweichen. Das heftige Stechen in seiner Seite erinnerte ihn nur allzu deutlich an seine Niedertracht, als er sie aufs Bett legte.
Ihre vollen Brüste hoben sich in schnellem Rhythmus unter dem zarten Stoff ihres Nachthemds, und ihre Augen waren leicht geweitet. Das Hemd war ebenso züchtig wie alles andere an ihr: ein schlichtes Nachthemd in Weiß, das ihre zerbrechliche Aura unterstrich. Sie lag auf der üppigen Masse seidigen Haars, und sein eingefleischter Zynismus, den er kaum kontrollieren konnte, ließ in ihm den Gedanken erwachen, dass sie wahrhaftig die sprichwörtliche Jungfer war, die sich opferte. Er fragte sich, was sie wohl in diesem Moment dachte. Der Verlust der Unschuld stand unmittelbar bevor, und das nur, weil seine und ihre Eltern unerbittlich darauf bestanden hatten, eine Kreuzung ihrer Blutlinien vorzunehmen. Niemand konnte sie oder ihn dafür verantwortlich machen, dass sie sich in diese Ehe hatten drängen lassen. Natürlich hätte er ablehnen können. Aber ihr war kaum eine Wahl geblieben. Jungen Frauen wurden nur wenige Freiräume eingeräumt, und sie mussten sich den Wünschen ihrer Väter in jedem Fall beugen.
Er bezweifelte, dass Julianne je darüber nachgedacht hatte, diese Heirat abzulehnen und sich dem Willen ihrer Familie zu widersetzen. Sie war schon zu früh dem ideologischen Drill ausgesetzt worden. Bei Harry war es genauso gewesen. Schon mit zehn hatte er den Namen seiner zukünftigen Braut erfahren – zugleich der Tag ihrer Geburt. Ihm war das strikte Ehrgefühl anerzogen worden, das das Protokoll ebenso erforderte wie alle herzoglichen Pflichten, die er eines Tages übernehmen sollte.
Es hatte für Michael als jüngeren Sohn mehr Freiheiten gegeben. Doch der überraschende Tod seines Bruders hatte Michaels festen Glauben, dass sein Schicksal der gefahrvolle Weg war, in den Grundfesten erschüttert. Und da war es egal, wie kompliziert alles durch diese neuen Umstände wurde.
Die Frau, die nun in seinem Bett lag, war jedenfalls nichts, was er sich für seine Zukunft vorgestellt hatte.
»Mylord, ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
Die leise vorgebrachte Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Michael brachte ein hoffentlich beruhigendes Lächeln zustande. »Nein, nicht wirklich. Deine Bemerkung über das Schicksal kam mir noch einmal in den Sinn. Mehr nicht.«
Etwas Ängstliches huschte über ihr Gesicht, als er sich neben sie aufs Bett legte, stets darauf bedacht, seine Verletzung zu schonen. Sein Morgenrock stand so weit offen, dass sie jetzt den Verband sehen konnte. Aber ihr Blick war auf sein Gesicht geheftet, als er sich vorbeugte, um sie abermals zu küssen.
Verführe sie, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Du hast schon früher all deine Verführungskünste eingesetzt, um von lästigen Fragen abzulenken, auf die du keine Antwort geben willst.
Ihre weichen Lippen zitterten leicht, als er seinen Mund auf ihren legte. Ihre Rosenblütenlippen öffneten sich ihm diesmal beinahe widerstandslos, um seine Zunge einzulassen. Es war ein langsamer Kuss, mit dem er sie erkundete. Seine harte, heiße Erektion versteifte sich noch mehr. Michael atmete ihren Duft ein, während er eine Hand über ihre Hüfte gleiten ließ. Die verführerischen Rundungen unter dem Stoff waren unglaublich weiblich.
Möglicherweise war dies der Schlüssel zum Erfolg. Seine Erfahrung in Liebesdingen ließ ihre naive Unerfahrenheit dahinschmelzen, sie würde ihm kaum widerstehen können. Vielleicht war das ungerecht, aber das Leben war selten gerecht. Man musste sich nur mal ansehen, was mit Harry geschehen war. Oder vielleicht war es der Tod, der nicht gerecht war? Michael wusste es nicht. Der Tod war ihm aber um einiges vertrauter als das Leben.
»Keine Sorge«, flüsterte er ihr zu.
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