Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
… abgewiesen.
So wird also mein Leben als Frau an seiner Seite aussehen?
Es fiel ihr schwer, seine rasche, elegante Verbeugung zu interpretieren. Er drehte sich um und verschwand im Ankleidezimmer. Julianne starrte die geschlossene Tür an. Vielleicht war es nicht richtig, wenn es sie überraschte, mit welcher offensichtlichen Gleichgültigkeit er sie behandelte. Er würde ihr gegenüber kaum Zuneigung zeigen; schließlich empfand er keine für sie. Wie denn auch? Er wusste nichts über sie. Im Bett begehrte er vielleicht ihren Körper und benutzte ihn. Aber das war etwas anderes.
Sie war jung, und vermutlich war sie auch naiv, trotzdem wusste sie, dass sexuelles Begehren und tiefere Gefühle nicht zwingend Hand in Hand gehen mussten.
Dennoch befremdete sie der Gedanke, dass sie von ihm nur mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt wurde, nachdem sie letzte Nacht so intime Dinge getan hatten.
Möglichst rasch kroch sie aus dem Bett und griff nach ihrem Nachthemd, das sie sich ungeschickt überstreifte. Sie floh geradezu in ihre Gemächer, langte nur schnell nach ihrem Morgenmantel. Es ist einfach lächerlich, enttäuscht zu sein , ermahnte sie sich.
Lächerlich, genau.
Sie zog an der Klingelschnur neben dem Bett und wartete. In ihr herrschte ein verwirrender Aufruhr aus leisem Ärger und Erleichterung. Wenn er wollte, dass sie eines der Paare wurden, die tagsüber getrennte Wege gingen, machte es die Sache für sie vielleicht sogar einfacher. Unabhängigkeit war etwas, wonach sie sich immer gesehnt hatte. Obwohl ihre Eltern gut zu ihr gewesen waren, hatten sie dennoch auf ein anständiges Benehmen geachtet, weshalb Julianne stets beaufsichtigt worden war.
Jetzt war sie allerdings eine verheiratete Lady und nicht länger das streng bewachte Mädchen. Der Gedanke barg sogar einen gewissen Reiz. Das ihr zur Verfügung stehende Geld war nun auch mehr, wenn sie die Bemerkung ihres Vaters über den Ehevertrag richtig in Erinnerung hatte. Das käme ihr durchaus entgegen.
In diesem Moment kam Camille hereingehuscht und blickte sie mit fragenden Augen an. Sie war ein Mädchen, dessen wilde Locken unter der Morgenhaube hervorquollen. Die Kleidung war gestärkt und perfekt für eine junge Frau, die im Haushalt eines Herzogs ihren Dienst verrichtete.
Nein ,dachte Julianne entschlossen. Sie würde auf keinen Fall jetzt länger über die schlechten Seiten ihrer Ehe mit Michael grübeln.
Es war sinnlos, sich zu grämen, und sie würde sich zu gegebener Zeit Gedanken darüber machen, ob Michaels Reserviertheit für sie ein unüberwindliches Hindernis war.
Wollte sie es denn überhaupt versuchen? Viele Ehen in ihren Kreisen glichen eher Verpflichtungen denn Beziehungen. Wenn ihr Mann bereits am Tag ihrer Hochzeit keine Zeit für sie hatte, war das vielleicht schon ein treffender Ausblick auf die gemeinsame Zukunft.
Warum hatte sie dann trotzdem dieses unangenehme Gefühl in der Magengegend? Wie konnte sie denn mehr von ihm verlangen? Es stimmte vermutlich, dass er ein viel beschäftigter Mann war. Wohlstand und Titel waren Privilegien, doch ein Vermögen musste verwaltet werden, um es zu erhalten, und jeder Titel brachte auch Verpflichtungen mit sich.
»Möchtet Ihr gerne ein Frühstück einnehmen, Eure Ladyschaft?«
Abwesend blickte Julianne auf. Die junge Frau beobachtete sie besorgt. Zwei rote Flecken waren auf ihren vollen Wangen erblüht, und das Mädchen sank in einen tiefen Knicks.
Es war vor allem die Ehrerbietung, die Julianne überraschte. Ihre Stellung in der Welt hatte sich nachhaltig verändert. Zu Hause war ihre Zofe für sie mehr Freundin als Dienerin gewesen, aber das Mädchen hatte nicht den Dienstherren wechseln wollen. Julianne räusperte sich. »Tee und Toast wären mir genehm. Und ich brauche heißes Wasser, um mich zu baden.«
»Ja, Mylady. Ich kümmere mich sofort darum.«
Letzte Nacht war sie zu verängstigt gewesen, um ihrer Umgebung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Während sie wartete, betrachtete Julianne das Schlafgemach, das auf sie äußerst imposant wirkte. Sie vermutete, dass ihre Schwiegermutter es so eingerichtet hatte, als sie Michaels Vater geheiratet hatte, bevor dieser zum Duke erhoben wurde. Der Raum war in verschiedenen Gelbtönen gehalten, die von zartem Zitronengelb bis zu einem dunklen Gold reichten. Das Bett mit dem Baldachin war mit winzigen vergoldeten Rosen verziert, und der Teppich unter ihren Füßen war cremefarben und ocker. Zwei Fenstertüren führten zu
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