Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
herangewachsen und hatte immer gewusst, dass sie eines Tages die Marchioness of Longhaven und später die Duchess of Southbrook werden würde. Aber sie hatte zweifellos nie einen Gedanken an Michael verschwendet. Für sie war er nie mehr als ihr zukünftiger Schwager gewesen.
Es brachte jetzt allerdings wenig, wenn er länger darüber grübelte, wie anders die Dinge verlaufen wären, wenn Harry heute noch lebte. Julianne ist meine Frau, ermahnte Michael sich. Seine erstaunlich leidenschaftliche und gewinnende Frau. Das hatte das Schicksal für sie beide vorgesehen.
Was ihm jetzt aber Kopfzerbrechen bereitete, war das Gefühl, dass er in dieser Ehe nicht das bekam, was er sich ursprünglich ausgemalt hatte. Oh, sie war jung und unschuldig, das stand außer Frage. Doch zugleich war sie klug und abenteuerlustiger, als er vermutet hätte. Ein typisches Beispiel war ihre ungezügelte Leidenschaft, mit der sie ihn gestern Nacht völlig überrumpelt hatte.
Hitzige Seufzer, eine seidenweiche Haut, Augen von der Farbe des Meers im mitternächtlichen Mondschein …
Zu seiner Überraschung fand er sie einfach … bezaubernd. Sie war bemerkenswert, und für einen Mann wie ihn, der sich darauf berief, sich nie an Vergangenes und Erinnerungen zu klammern, war dies besonders beunruhigend. Er hatte sich seiner Hochzeit so genähert wie jeder anderen Aufgabe. Es musste getan werden, und er konnte die von ihm verlangten Dienste ohne Rührung und mit der größtmöglichen Sorgfalt erfüllen. Aber Julianne hatte ihn entwaffnet. Sie hatte nicht nur seine Sinne verwirrt, sondern auch seinen Verstand vernebelt, indem sie ihm mit unschuldiger Offenheit begegnete – nicht nur im Bett, sondern auch im Gespräch. Es war eine Sache, wenn er ihren Körper verführte. Er hatte sich aber darauf verlassen, dass er in allen anderen Belangen distanziert blieb. Jetzt war er nicht mehr so sicher, ob ihm das gelang.
Es bereitete ihm Sorgen, dass er von ihr überrascht worden war. Seine Fähigkeit, in anderen Menschen wie in einem Buch zu lesen, hatte ihn bisher am Leben erhalten.
Und es passte überhaupt nicht in seine Pläne, sich von Julianne ablenken zu lassen.
Eine Stunde später kehrte er nach Hause zurück. Er war nach wie vor beunruhigt. Das Problem mit den zwei Anschlägen auf sein Leben musste gelöst werden. Er wollte auf keinen Fall in die Verlegenheit kommen, weitere mysteriöse Verletzungen erklären zu müssen. Julianne war nicht weiter in ihn gedrungen, aber ihre Neugier war durchaus verständlich. Es hatte immerhin ganz gut funktioniert, sie mit seinen Verführungskünsten von ihren Fragen abzulenken. Aber er hatte den Eindruck, sie sei einfach zu intelligent, um dieses Thema allzu lange ruhen zu lassen.
Verflixt.
Die neoklassizistische Pracht von Southbrook House rief in ihm dasselbe beunruhigende Gefühl hervor, das ihn auch erfasste, wenn er über seine junge Frau nachdachte. Das Anwesen erstreckte sich über ein beeindruckend großes Grundstück in Mayfair, und es war so pompös und luxuriös, wie ein Stadthaus es nur sein konnte. Im rosigen Morgenlicht glänzte die Fassade golden und rot, und der elegante Schwung der Auffahrt wurde nicht bloß von einem Torhaus beschützt, sondern zudem von einem hohen, reich verzierten Eisenzaun. Da Harrys Tod eindrücklich bewiesen hatte, dass Wohlstand nicht mit einem wohlgesinnten Schicksal gleichzusetzen war, fragte Michael sich, ob er seinen Kindern damit einen Gefallen tat, wenn er sie in diesen unruhigen Zeiten aufwachsen ließ. Selbst eine adelige und hoch angesehene Familie, in die man hineingeboren wurde, konnte nicht als Garantie für ein glückliches Leben herhalten.
Es war das erste Mal, dass er überhaupt ernsthaft darüber nachdachte, was eine zukünftige Elternschaft für ihn bedeuten würde. Allerdings war er vor der vergangenen Nacht stets ein vorsichtiger Mann gewesen. Jetzt aber musste er vermutlich sein Bestes geben, um schon bald ein Kind zu zeugen. Und je schneller das passierte, umso besser. Was er jedoch bisher nicht bedacht hatte, war die Möglichkeit, seine Braut bereits geschwängert zu haben. Es kam oft genug vor, dass eine einzige Vereinigung dafür genügte. Er wusste nicht, wie er sich fühlen würde, wenn sie tatsächlich schwanger wurde …
Als er aus dem Sattel stieg und einem Stalljungen die Zügel zuwarf, kam ihm der Gedanke, dass er in den vergangenen Monaten nicht nur jeglichen Kontakt mit seiner Braut vermieden hatte. Es war völlig untypisch für
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