Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
einem Balkon, der bis zu dem angrenzenden Schlafgemach von Michael reichte. Sie verfügte zudem über ein Ankleidezimmer von beeindruckender Größe, und ihre Kleider waren bereits ausgepackt und sorgfältig aufgehängt worden.
Natürlich. Sie war nun die Marchioness of Longhaven und eine zukünftige Herzogin.
Da sie sich schon immer auf die Hochzeit gefreut hatte, war dieser Teil ihres neuen Lebens nicht so beunruhigend. Michael war es, der sie erschütterte. Sie sank auf einen hübschen Stuhl mit einem Bezug aus cremeweißer Seide mit gelben Streifen und wurde wieder von diesem verräterischen Unbehagen erfasst, als ihr Hintern die Sitzfläche berührte. Sie rutschte vorsichtig auf dem Stuhl herum. Dieses Wundsein zwischen ihren Beinen erinnerte sie nur allzu lebhaft an die vergangene Nacht.
Hatte sie ihm gefallen?
Es war ein wenig ungerecht, dass sie absolut nichts kannte, das mit seiner Erfahrung vergleichbar wäre.
Julianne zupfte gedankenverloren an ihrem Nachthemd herum und starrte aus dem Fenster. Was war wohl besser: die auserwählte Geliebte eines Mannes zu sein oder eine Ehefrau, der er sich verpflichtet fühlte? Sie trug nun seinen Namen und stand unter seinem Schutz, aber seine Zuneigung war ihr nicht sicher.
Es wäre schön, wenn sie beides haben könnte. Doch deutete sie seine verschlossene Miene vorhin richtig, so bezweifelte sie, dass das überhaupt möglich war.
Lawrence schob einen kleinen Geldbeutel über den verschrammten Tisch. »Mehr gibt’s, wenn du mir was zu sagen hast.«
Der dürre, junge Mann schnappte sich den Beutel und ließ ihn in seiner Tasche verschwinden. »Einverstanden.«
In der Schenke war es laut, und die Stammgäste rochen widerlich. Eine Schankmaid mit offenherziger Bluse huschte vorbei, und aus den Bechern in ihren Händen schwappte Ale. Wenn er bedachte, was für eine zwielichtige Vergangenheit er hatte, war diese Umgebung für ihn nicht fremd. Lawrence hob die Augenbrauen und spürte dabei, wie die vernarbte Haut seiner linken Gesichtshälfte sich spannte. »Einmal pro Woche solltest du mir Bericht erstatten, wie es vorangeht. Ich will nur, dass du dem Marquess dicht auf den Fersen bleibst und mir alles Auffällige berichtest. Es gab bereits zwei Versuche, ihn zu ermorden. Und ich vermute, es wird noch ein drittes Attentat erfolgen.«
»Aye, dann werd ich auf ihn aufpassen, Captain.«
Johnson war trotz seiner Jugend durchaus mit einer schnellen Auffassungsgabe gesegnet, und Lawrence hatte schon früher mit großem Erfolg auf seine Fähigkeiten zurückgegriffen. Trotzdem fand er, er müsse den Jungen warnen. »Du musst sehr vorsichtig vorgehen. Longhaven lässt sich nicht leicht täuschen, und er ist auf der Hut. Ich will nur, dass du ihn beobachtest und darauf achtest, ob ihn jemand verfolgt.«
Der Junge grinste und entblößte schiefe Zähne. »Wird mich nicht bemerken. Werde für ihn nichts sein außer sein hochwohlgeborener Schatten.«
»Du darfst ihn nicht unterschätzen«, betonte Lawrence. Er fuhr mit einem Finger nachdenklich über den Rand seines inzwischen leeren Bierkrugs. »Abgesehen von seiner Abstammung und seinem privilegierten Leben ist Longhaven alles andere als ein eitler Geck. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass er im Kampf ein ernsthafter Gegner ist, ob nun ein Faustkampf, Messerkampf oder einer mit anderen Waffen. Hinter den geschliffenen Manieren und der eleganten Kleidung lauert ein gestählter Kämpfer.«
Johnson nickte. Er war knapp zwanzig Jahre alt, hatte ein fuchsartiges Gesicht und dichtes, unordentliches Haar von der Farbe hellen Strohs. »Ich werde mich von ihm fernhalten.«
»Du weißt, wie du mich erreichen kannst, wenn es etwas Wichtiges zu berichten gibt.«
»Aye.«
Der junge Mann trank sein Ale aus, wischte mit dem Ärmel über seinen Mund und schlüpfte aus dem Wirtshaus. Lawrence beobachtete zufrieden seine flinken Bewegungen. Er war überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Darum bestellte er sich noch ein Ale und ignorierte das rothaarige Schankmädchen, das ihn mit gierigen Blicken maß. Ihre mehr als üppige Figur war überhaupt nicht nach seinem Geschmack. Er bevorzugte seine Frauen anders: wohlgerundet und mit rabenschwarzem Haar und seelenvollen, dunklen Augen. Frauen mit einer Vergangenheit, die sie auch in der Gegenwart quälte.
Als er das Haus verließ, hatte Antonia noch geschlafen. Er hatte nicht so gut geschlafen, da er die Nacht in einem Sessel neben ihrem Bett verbracht hatte,
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