Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
falls sie aufwachte und ihn brauchte. Er wusste von der tiefen Melancholie, die sie nach Longhavens pflichtbewusster Heirat erfasst hatte. Einst waren der Marquess und sie ein Liebespaar gewesen. Die Affäre war nur kurz gewesen und lag inzwischen weit zurück, doch sie hielt weiterhin an ihrer Zuneigung fest. Das Problem war, dass er Antonias Gefühle nur allzu gut nachvollziehen konnte, auch wenn Lawrence es dem attraktiven Aristokraten schrecklich übel nahm, dass sie ihn noch immer liebte. Für sie war dieser Mann ein Held, eine romantisch verklärte Person. Zu einem gewissen Grad musste er sich widerstrebend eingestehen, dass sie damit recht hatte. Longhaven hatte sie einst vor den Franzosen gerettet, hatte sie beschützt und ihr schließlich ein neues Leben geschenkt, indem er sie ermutigte, mit Lord Taylor die Ehe einzugehen. Als ihr Mann umgebracht wurde, war sie nach England gekommen.
Der Krieg hatte auch seine eigenen Lebensumstände grundlegend verändert.
Wenn man es genau nahm, waren ihre drei Leben eng miteinander verknüpft. Der Tod des ältesten Sohns des Duke of Southbrook hatte jedes dieser drei Leben beeinflusst. Antonia war Longhaven nach London gefolgt, und wegen seiner Verbindung zu ein paar Mitarbeitern des Marquess hatten sich ihre Wege erneut gekreuzt. Sie kämpften alle drei noch mit den Nachwirkungen des Kriegs, aber statt hinter den französischen Linien zu arbeiten, vertrauliche Kommuniqués abzufangen und die Geheimdienste des Gegners zu verwirren, arbeiteten sie jetzt auf viel subtilere Art zusammen.
Offensichtlich war das, was sie da betrieben, ein Totentanz. Der einzige Grund, warum er Longhaven beschatten ließ, war die Gewissheit, dass Antonia diesen verfluchten Mann auf ewig in ihrem Herzen bewahren würde, sollte ihm irgendetwas passieren.
Lawrence lehnte sich auf dem Stuhl zurück und ignorierte das dröhnende Gelächter, das aus einer Ecke der heruntergekommenen Schenke zu ihm drang. Drei unrasierte und eindeutig zwielichtige Gestalten widmeten sich lautstark ihrem Würfelspiel. Die Hochzeit des Marquess hat unser spannendes Dreieck zu einem Quartett erweitert, dachte er und wedelte eine widerliche Wolke Tabakrauch beiseite. Antonia liebte Michael, Lawrence liebte sie, und soweit er es beurteilen konnte, hatte Longhaven noch nie eine Frau geliebt. Trotzdem hatte er zugestimmt, dieses junge Mädchen zu heiraten, ohne auch nur Widerspruch einzulegen.
Lawrence wusste alles, was es über sie zu wissen gab. Schließlich gehörte es zu seinem Geschäft, Bescheid zu wissen.
Julianne Sutton war schon kurz nach ihrer Geburt Harold Hepburn, dem älteren Bruder von Longhaven, versprochen worden. Die Verlobung war vor allem eine gemeinsame Absichtserklärung der beiden Väter gewesen, und der junge Mann war gestorben, ehe der offizielle Ehevertrag aufgesetzt und unterzeichnet wurde oder man die Verlobung verkündete. Sie war gebildet, kultiviert und in den üblichen Disziplinen einer jungen Adeligen unterwiesen: Sie spielte ein Instrument und tanzte anmutig, und das Vermögen ihrer Familie und die Stellung in der Gesellschaft hätten ihr auch ohne die frühe Verlobung eine gute Partie garantiert. Nach dem Tod des älteren Sohns des Dukes war ihr Debüt verschoben worden, da beide Familien ehrlich um ihn getrauert hatten. Soweit Lawrence es verstanden hatte, machte ihr dieser Verzug nichts aus, denn sie war über den Verlust ihres Verlobten zutiefst betrübt gewesen.
Interessant. Was dachte wohl Michael angesichts der Zuneigung, die seine Frau mit seinem verstorbenen Bruder verband? Zweifellos war es Zeitverschwendung, darüber zu spekulieren, aber ihn interessierte auch, wie Lady Julianne auf den Tausch der Bräutigame reagiert hatte?
Wenn er wollte, konnte Lawrence vermutlich leicht herausfinden, welche Farbe die junge Lady bevorzugte, wenn es für ihn von Vorteil wäre. Ihr ehemaliges Kindermädchen war recht geschwätzig gewesen, so sein Informant. Und einer der Lakaien im Haushalt des Dukes war nur deshalb in dessen Diensten, weil Lawrence es so arrangiert hatte.
Wissen war Macht. Immer.
Er musste allerdings zugeben, dass er die neue Marchioness interessant fand. Sie war jung, aber in Wahrheit war Antonia keine fünf Jahre älter als sie, wenngleich sie um Längen mehr Erfahrung im Leben hatte. Julianne Hepburn war nun mit einem Mann verheiratet, der einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf sein Leben ausübte. Das hieß für ihn, dass er entsprechend vorsorgen musste. Er
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