Eine Hexe mit Geschmack
meiste von ihm hinter meiner Krempe zu
verstecken.
Aus der Ferne erreichten die
Geräusche einer sich übergebenden Ente meine Ohren. Es war ein seltsames
Geräusch, begann als ein Quaken und endete in einem heiseren Keuchen.
Der Mann brachte sein Pferd zum
Stehen. »He da, gute Frau. Belästigt dich dieser Troll?« Locker umfasste er
seinen Schwertgriff.
»Eigentlich gehört er zu mir.« Ich
hob meinen Kopf weit genug, dass alles unterhalb seiner Nase unter meiner
Krempe sichtbar wurde. Er hatte einen starken, runden Kiefer.
Molch stolperte auf den Weg,
schmatzte mit dem Schnabel und stöhnte. Er sah den Mann und würgte. Mein
Vertrauter stürmte zurück ins Unterholz und begann von Neuem, sich zu
übergaben.
»Ist das auch deine Ente?«, fragte
der Reiter.
»Das ist er, ja.«
»Ist er krank?«
»Es scheint so. Nichts Ernstes,
denke ich.«
Ich hob meinen Hut, um einen
flüchtigen Blick in die Augen des Mannes zu werfen. Er erwiderte meinen Blick,
ohne zu zwinkern. Das war ich nicht gewohnt. Die meisten Leute wandten den
Blick von mir ab. Entweder, weil sie dachten, ich sei eine Verrückte, die man
besser nicht reizte, oder weil sie wussten, dass ich eine Hexe war und das Böse
fürchteten, das ich durch mein Starren womöglich über sie bringen konnte. Aber
er tat es nicht, genauso wenig wie ich.
Ich konnte all das düstere
Getuschel meines Fluchs nicht einordnen. Ich wollte diesen Mann fressen, so
sehr wie keinen anderen zuvor. Ich wusste auch nicht, warum. Er war ein gesundes
Exemplar seiner Spezies, aber es gab viele gesunde Exemplare in der Siedlung.
Doch schon beim bloßen Gedanken daran, meine Zähne in sein Fleisch zu
versenken, ergriff mich ein unerklärlicher Brechreiz. Nichts so Ernstes zwar
wie die Übelkeit, an der Molch litt. Eigentlich war es sogar keine vollkommen
unangenehme Empfindung.
Wir starrten uns, wie es schien,
sehr lange in die Augen. Schließlich wandte er sich ab und brach den
sonderbaren Zauber, der mich hielt, was immer es auch war. Ich senkte vor diesen
hypnotischen Augen schnell den Blick.
Er räusperte sich und vermied es,
mich direkt anzusehen. »Ist dies der Weg nach Fort Handfest?«
»Ja. Bleib einfach auf dem Weg,
und du wirst nach weniger als einer Meile dort sein.«
»Danke. Guten Tag, gute Frau, Troll.
Ich hoffe, deiner Ente geht es besser.«
Er gab seinem Pferd die Sporen zum
Galopp. Ich sah ihm nach. Ich konnte nicht anders. Etwas, vielleicht seine
magische Aura, zwang mich dazu. Ich bemerkte die Breite seiner Schultern und
fragte mich, wie es wohl wäre, mit sanften, behutsamen Bissen daran zu
knabbern. Und dann das Fleisch in großen, saftigen Stücken wegzureißen. Da nach
würde ich ihn umdrehen, seine Brust aufreißen und die Leckerbissen darin
herausschaufeln. Das Blut würde ich als Nachspeise auflecken.
Seine Augen würde ich aber nicht
essen. Aus Gründen, die mir nicht ganz klar waren, wollte ich sie aufheben.
Als hätte er meine Gedanken
gespürt, warf der Mann mit einem strengen Stirnrunzeln einen Blick zurück. Ich
wollte den Blick abwenden, aber ich tat es nicht. Ich starrte unverhohlen, bis
er um eine Kurve im Wald verschwand.
Molch schleppte sich aus dem
Unterholz.
»Dunkle Götter, so ein reines
Herz! Darauf war der Dämon in mir nicht vorbereitet.«
»Dann hast du nie zuvor einen
weißen Ritter getroffen«, erklärte Gwurm. »Sie sind berühmt für ihre Tugend.«
»Er schien mir aber sehr dunkel
für einen weißen Ritter«, sagte ich.
»Der Kreis ihrer Mitglieder ist
klein, aber vielfältig.«
Ich senkte mich auf ein Knie hinab
und wischte Molchs Schnabel mit dem Saum meines Kleides ab. »Geht es dir jetzt
besser?«
»Jetzt, wo er weg ist, geht es
schon.«
»Dann komm weiter. Wir haben viel
zu tun.«
»Ja, natürlich. Die Eiterbeulen.
Die hatte ich fast vergessen.«
»Ja«, stimmte ich zu. »Die Beulen
und das verrottete Essen.«
Wir machten uns wieder auf den Weg
zum Fort, und ich trödelte herum, um Molchs Fröhlichkeit so lange wie möglich
zu erhalten.
ACHT
Die Ankunft des wahren weißen
Ritters versetzte die Siedlung am frühen Abend in helle Aufregung. Während ich
meine tägliche Runde machte, hörte ich zu und lernte. Jeder hatte von den
weißen Rittern gehört, obwohl niemand je einen in Fleisch und Blut gesehen
hatte. Sie bildeten einen Orden von Helden, die es sich zur Aufgabe gemacht
hatten, das Böse in all seinen Formen zu besiegen. Sie erschlugen wilde
Monster, entthronten geisteskranke Könige, schlugen
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