Eine Hexe mit Geschmack
Scharf
und tödlich. Ich wette, mit denen könntest du Knochen brechen.« Er biss in die
Luft und knirschte mit meinen Zähnen.
»Du kannst doch auch mit deinem
Schnabel Knochen brechen«, erinnerte ich ihn.
»Das ist nicht dasselbe.«
»Hier drüben liegen ein paar
frische Fasane. Brich so viele von ihren Knochen wie du willst, während ich weg
bin.«
Er wählte einen Vogel aus der
kleinen Sammlung und grub begeistert meine Zähne hinein.
Ich sprang vom Tisch. Ich hatte
als Teil meiner Ausbildung schon vorher Tiergestalten ausgeliehen. Die Grausige
Edna hatte mich gelehrt, auf den Körper zu hören. »Sag ihm, wohin du gehen
willst, Liebes, und er wird dir sagen, wie du hinkommst.« Molchs Körper ließ
sich leicht bewegen. Sein komischer Gang, durch die Jahre ununterbrochener
Benutzung in Fleisch und Blut übergegangen, blieb Teil davon.
Morgenröte öffnete den Zelteingang
für mich, und wir traten hinaus.
Gwurm, der es sich zur Gewohnheit
gemacht hatte, vor meinem Zelt zu sitzen, falls ich ihn brauchte, hob den Kopf.
Ihm fehlte ein Auge, und er rollte etwas im Mund herum. »So früh schon
unterwegs?«
Ich erklärte meinen Tausch mit
Molch und dass ich auf dem Weg zum Fort sei, um den weißen Ritter zu
kontrollieren.
Er spuckte sein fehlendes Auge aus
und leckte es strahlend und spuckeüberzogen glänzend, bevor er es wieder in
seine Höhle zurücksteckte. »Was ist daran hilfreich, eine Ente zu sein, die
nicht fliegen kann?«
»Molch kann fliegen. Er hat es nur
vergessen, aber meine Herrin hat es mich gelehrt, damit ich den vollen Nutzen
aus dem Vogelkörper ziehen kann. Es ist sehr einfach. In die Luft springen, mit
den Flügeln schlagen und auf den Boden achten.«
Ich streckte meine Flügel aus, um
sie zu lockern. Morgenröte und Gwurm wünschten mir Glück, und ich machte mich
auf den Weg. Es brauchte ein paar Sprünge, aber schon bald flog ich. Es war ein
schlingerndes, plumpes Spektakel, aber besser als alle Flüge, die Molch je
unternommen hatte. Ich schwebte in weiten Kreisen über die Siedlung, bis ich
den Dreh heraushatte.
Über dem Fort flog ich eine Kurve.
Ich hatte es nie aus diesem Winkel gesehen. Es war ein Viereck aus Steinwänden
mit nur einem Tor. Kleinere Gebäude aus Holz und Stein waren im Inneren gebaut
worden. Laternen und Mondlicht erleuchteten die großen, freien Flächen. Nicht
viele Soldaten waren zu sehen. Die meisten saßen oder lagen in den Baracken,
kümmerten sich um die finanziellen Bedürfnisse von Prostituierten oder
verbrachten Zeit mit ihren Familien. Eine einzelne Ente konnte mühelos an der
Nachtwache vorbeigleiten.
Den Ritter zu finden war ebenfalls
ganz leicht. Die Hälfte von Molchs dämonischem Wesen gehörte zu seinem Geist,
aber die andere Hälfte blieb in seinem Körper. Ich lief ein paar Minuten herum
und ließ mich von meinem unruhigen Magen zum Büro des Hauptmanns führen, was
logisch gesehen sowieso ein passender Ort für die Suche war. Das Fenster war zu
hoch für mich, um hindurchzusehen. Ich versteckte mich also in den Schatten und
lauschte.
»Das ist ja furchtbar!«, stöhnte
der Hauptmann. »Schrecklich! Dies sollte doch eine ruhige Gegend sein. Hier
passiert nie was!«
»Das ist genau der Grund, warum
ich glaube, dass sie herkommen werden«, antwortete der Ritter. Seine Stimme
allein zauberte schon ein Lächeln auf meinen Schnabel, auch wenn sich meine
Übelkeit verstärkte. »Sie haben vor, über eine unbewachte Grenze bis ins
Königreich vorzudringen. Ihr hattet Glück, dass ihr dieses Fort gerade hier
gebaut habt.«
»Glück.« Der Hauptmann grunzte das
Wort wie einen Fluch. »Ja, Glück.«
Dann kam das Schweigen. Kein
wirkliches Schweigen, sondern ein geflüstertes Gemurmel, von dem ich annahm,
dass es vom Hauptmann stammte.
Ich entdeckte einen krabbelnden
Käfer in der Nähe.
»Du da, komm her.« Ich sprach
sanft in der Insektensprache.
Insekten zu beherrschen, ist sehr
einfache Magie. Alles, was man tun muss, ist sprechen, vorausgesetzt man hat
ein Talent dafür, mit Käfern zu sprechen. Dann aber reagieren sie ohne Zögern
auf jeden Vorschlag. Sie sind zu einfach gestrickt, um ihre eigenen Wünsche von
denen anderer unterscheiden zu können.
»Ich brauche deine Augen.« Ich wäre
höflich gewesen, aber Höflichkeit hätte den Käfer nur verwirrt. Ich sprach also
einen geringen Zauber aus und stellte meine Sicht auf die des Käfers ein.
»Flieg zum Fenster und schau, was da vor sich geht.«
Der Käfer gehorchte in
Weitere Kostenlose Bücher